Der Sieg in Malaysia hat Ferrari mit Sebastian Vettel zusammengeschweißt. Mit diesem neuen Teamgeist will der rote Rennstall an diesem Wochenende auch in Shanghai punkten.

Shanghai - Ferrari schwebt im siebten Himmel. Sebastian Vettels Sieg in Malaysia hat das Team wieder belebt. Nach 686 Tagen ohne die volle Punktzahl wirkte Vettels Triumpffahrt wie ein Signal. Wir können es noch. Trotzdem versuchen alle auf dem Teppich zu bleiben. „Wir wissen, wo wir stehen. Und wir kennen unsere Ziele. Sie haben sich nicht geändert. Wir wollen jetzt bestätigen, dass wir die Nummer zwei hinter Mercedes sein können,“ umschrieb Vettel den mittelfristigen Zeitplan.

 

Vettel tut alles, damit Ferrari die Bodenhaftung nicht verliert. Nichts wäre schlimmer als zu glauben, Siege wären eine Selbstverständlichkeit. „Es war schön für uns zu sehen, dass wir vorne mitfahren können. Aber die Umstände haben uns in Malaysia in die Karten gespielt, und wir haben das Geschenk optimal genutzt. Jedem von uns ist klar, dass Mercedes immer noch das stärkste Paket hat.“ Was das China-Rennen wahrscheinlich zeigen wird: Der Kurs von Shanghai ist eine Mercedes-Strecke. Weil dort der linke Vorderreifen am meisten belastet ist. Bei Mercedes sind aber die Hinterreifen die Schwachstelle.

Mercedes ist beeindruckt

Niki Lauda sieht Ferrari als einen ernstzunehmenden Gegner für die ganze Saison. Er weiß, wie die Firma tickt, für die er zwischen 1974 und 1977 selbst gefahren ist: „Der Sieg hat das ganze Team beflügelt. Der Faktor Emotionen wirkt in Maranello doppelt so stark wie anderswo.“ Bei Vettel wird zwangsläufig der Vergleich zu Michael Schumacher gezogen. Der Rekordweltmeister löste 1996 ebenfalls eine Aufbruchstimmung aus. Sein Dienstantritt verlief jedoch weniger glatt als der seines Nachfolgers. „Michael hatte ein schlechteres Auto als ich.“ Der Ferrari SF15-T hat die Gene zu einem Mercedes-Herausforderer. „Wir sind mit dem Auto jetzt in Jerez, Barcelona, Melbourne, Sepang und Shanghai gefahren. Und auf jeder der fünf Strecken hat es sich gut angefühlt – viel besser als das Vorgängermodell“, sagte Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen.

Während Ferrari alles versucht, dass die Erwartungen in Italien nicht durch die Decke schießen, streut der härteste Gegner Rosen. „Ferrari wird uns über die gesamte Saison Kopfzerbrechen bereiten. Weil das Auto von seiner Charakteristik total anders ist als unseres. Es wird Strecken und Bedingungen geben, die Ferrari besser liegen als uns“, sagt ein Mercedes-Ingenieur.

Dass Ferrari nicht unbedingt auf Hitze angewiesen ist, bestätigt auch Räikkönen. Der Finne hatte bei seinem Rennen in Melbourne eine Phase, „da wären mir die Mercedes nicht davongefahren.“ Der Technikchef James Allison bestätigt: „Wir wurden in Melbourne unter Wert geschlagen. Sebastian hing 20 Runden lang hinter einem Williams fest. Das hat uns 20 Sekunden gekostet.“ Und schon wäre der Doppelsieg der Silberpfeile nicht mehr so souverän ausgefallen, wie es der Vorsprung von 35 Sekunden glauben ließ.

Auch Rennautos haben eine DNA. Der Mercedes ist voll auf Abtrieb getrimmt. Auf eine Runde ist er unschlagbar. Weil das Auto seine Reifen sofort auf Temperatur bringt. Auf bestimmten Strecken verschleißen aber die Hinterreifen zu schnell. Der Ferrari ist ein Reifenstreichler. Das macht ihn bei Dauerbelastung zu einem echten Gegner für Mercedes. Weil man sich einen Reifenwechsel sparen und öfter auch den weichen und schnelleren Mischungen fahren kann. Allison fühlt sich mit seinem Konzept wohler: „Weil es genügend Werkzeuge gibt, die Reifen auf Temperatur zu bringen. Andersherum ist es schwieriger, einem Auto das hart mit den Reifen umgeht das auszutreiben.“

Der Mercedes-Teamchef Toto Wolff stellt fest: „Der Ferrari trägt die Handschrift von James Allison. Der hat schon bei Lotus reifenschonende Autos gebaut. Ich sehe Ferrari durchaus als Gefahr.“ Allison sagt von sich selbst, dass er keine Schraube an dem Ferrari gezeichnet hat. „Ich lege nur fest, welche Entwicklungen es wert sind, in die Praxis umgesetzt zu werden.“ Vettel lobt seinen neuen Technikdirektor: „James ist ein Pragmatiker.“ Bei Red Bull hatte es der vierfache Weltmeister mit dem Gegenentwurf von Allison zu tun. Adrian Newey ist ein chaotisches Genie.

Der Star ist das Team

Bei Ferrari herrscht in diesem Jahr ein neuer Geist. „Der Star ist das Team“, predigt der Teamchef Maurizio Arrivabene. Bei ihm gibt es keine Schuldzuweisungen mehr. „Ich will nicht hören, dass eine Abteilung die Verantwortung auf eine andere schiebt.“ Vettel ist ein wichtiger Teil dieser neuen Einstellung. Weil er im Gegensatz zu Fernando Alonso ein Teamplayer ist. In den letzten fünf Jahren war alles auf den Spanier zugeschnitten.

Doch von guter Stimmung und dem neuen Wir-Gefühl kann Ferrari nicht leben. „Wir müssen noch viel arbeiten, wenn wir Mercedes konstant unter Druck setzen wollen“, sagen beide Fahrer. Ihr Technikchef verspricht ihnen ein aggressives Entwicklungsprogramm. Beim Spanien Grand Prix soll die erste große Ausbaustufe gezündet werden. Der Präsident Sergio Marchionne hatte es so verlangt. „Wenn Sergio das sagt, dann ist es uns ein Befehl“, meint sein General Arrivabene ergeben. Fast wie in alten Zeiten, als Enzo Ferrari noch das Regiment führte.