Nach seinem Ausfall beim Großen Preis von Malaysia glaubt Lewis Hamilton an Sabotage - oder zumindest an höhere Mächte.

Sepang - Der Rauch, der am Ende der 41. Runde des Großen Preises von Malaysia aus dem Heck von Lewis Hamiltons Silberpfeil aufsteigt, kündet von einem kapitalen Motorschaden. Vielleicht aber noch von weit mehr: Dem Verlust des Weltmeistertitels in der Formel 1 an Nico Rosberg, und dazu von Feuer unterm Dach bei Mercedes. Mit dem zu erwarten gewesenen vorzeitigen Gewinn der Konstrukteurs-WM für das Stuttgarter Werksteam wurde es erst mal jedenfalls nichts. Rosberg baute zwar seine Führung auf 23 Zähler aus, blieb aber nach einem unverschuldeten Startunfall nur Dritter. Abgestaubt hat den Sieg Red Bull Racing: Der Australier Daniel Ricciardo triumphierte vor dem Niederländer Max Verstappen.

 

Über das Helmmikrofon war ein entsetztes „Oh No! Nooooho!“ zu hören, die Kameras fingen Flammen und einen aus dem havarierten Auto kletternden Hamilton ein. Der Brite hatte bis dahin das Rennwochenende dominiert, jetzt kniete er in der Auslaufzone, es sah aus, als würde er beten. Immer wieder wird der Titelverteidiger in diesem Jahr durch technische Probleme am Silberpfeil gehandicapt. Mehrfach in der Qualifikation, diesmal ohne Vorankündigung durch die Explosion des Triebwerks. Der Motorblock hat ein Loch, die Kurbelwelle dürfte hin sein.

Markige Worte von Lewis Hamilton

Mercedes-Teamchef Toto Wolff sank in der Box der Kopf auf die Ellbogen, die Augen schimmerten feucht. Der Österreicher ahnte schon, dass der seit dem Großen Preis von Deutschland sieglose Hamilton, der als leidenschaftlicher Rennfahrer immer mal wieder vermeintlichen Benachteiligungen nachhängt, seinem Frust frönen würde. Er musste dazu nur auf das erste Fernsehmikrofon warten: „Ich frage Mercedes: es werden so viele Motoren für alle Fahrer gebaut, aber nur meine fallen in diesem Jahr aus. Irgendwer will, dass ich nicht Weltmeister werde. Das muss mir mal einer erklären, denn das ist nicht akzeptabel. Das alles fühlt sich nicht gut an.“ Das klang nach Verschwörung, fast wie ein Sabotage-Vorwurf.

Später, in einer zunächst abgesagten, auf seinen Wunsch aber doch durchgeführten Medienrunde sprach der frustrierte Rennfahrer von „höheren Mächten“, die er gemeint habe. Unmittelbar nach dem Rennen war der 31-Jährige zu den Mechanikern und Ingenieuren in die Garage gegangen und hatte eine Motivationsrede gehalten, die offenbar alle schwer beeindruckte.

„Wenn einem das passiert, was ihm passiert ist, darf man alles sagen, was man will“, befand Toto Wolff, „aber danach vor der Mannschaft hat er so reagiert, wie es nur die Größten tun.“ Eine rationale Erklärung für die Panne gibt es nicht, man werde jede Schraube zweimal umdrehen in der Analyse. Es gebe auch kein Muster, jeder Schaden an Hamiltons Silberpfeil habe bislang eine andere Ursache gehabt. Weshalb dieser noch mal fragt: „Warum passiert das nur dem Nummer-eins-Fahrer?“

Die These mit der Verschwörung war so abstrus, dass Mercedes sie Lewis Hamilton anstandslos durchgehen ließ. Warum sollte ein Team, das beiden Fahrern freien Lauf bis hin zum Crash lässt, das tun, wie sollte so etwas orchestriert werden können? „Es gibt keine rationale Erklärung dafür, außer der, dass die Formel 1 ein mechanischer Sport ist“, sagte Wolff. Noch dazu einer am Limit. Aber auch wenn das sofort in die Mercedes-Motorenfabrik im mittelenglischen Brixworth zurückgeschickte Aggregat forensisch untersucht wird – das kann die akute Ursache für die Panne ermitteln, nicht jedoch die Verkettung von Unzuverlässigkeiten, die den Titelverteidiger seit Saisonbeginn plagen.

Die logischen Erklärungen fehlen

Wegen denen er schon mal 43 Punkte im Rückstand gegenüber Nico Rosberg lag, dessen Aggregate bislang verschont blieben. Jetzt sind es bei nur fünf ausstehenden Rennen 23 Zähler Differenz. Die logischen Erklärungen, die Rennfahrer auch nach Unfällen brauchen, um unbeschwert weiterfahren zu können, und die im Fall Hamilton fehlen, führen durch die unheilsame Verkettung zu Zweifeln, zu Vertrauensverlust. An diesem Punkt ist Hamilton: „Ich habe mich schon niedergeschlagener gefühlt in meiner Karriere. Aber noch nie so hilflos.“

Multipliziert mit der Rivalität in der Mercedes-Garage können Zweifel zur Zerreißprobe für alle führen. In Situationen wie dieser kommen Hamilton wieder Ärger über den Wechsel der Mechanikercrew („turnusmäßig“, sagt das Team) oder das permanente Kupplungsproblem (kann bis zum Saisonende nicht behoben werden, sagt das Team) in den Sinn. „Wir haben ihn ein paar Mal hängen lassen“, bestätigt Wolff mit Blick auf die Motorenpannen. Hamiltons erste Sorge war, dass ihm selbst die verbliebenen Aggregate – ein neues, ein gebrauchtes – nicht mehr reichen könnten bis zum Finale: „Ich muss das wohl als einen dauerhaften Test für meinen Geist und meinen Willen nehmen. Aber wenn die höhere Macht am Ende nicht will, dass ich Weltmeister werde, dann muss ich das akzeptieren.“

Malaysia kann für Hamilton das Ende der Hoffnung gewesen sein, der Beginn der Verzweiflung oder die treibende Kraft zur neuerlichen Kehrtwende. Muss er seinen Titel an Rosberg abgeben, wird er sich nichts vorzuwerfen haben, wird alles auf die instabile Technik abgewälzt werden. Einmal mehr fasst der 31-Jährige seine Bilanz in einem Posting zusammen: „Am Sonntag war es ein unbeschreiblicher Schmerz. Aber es ist nicht entscheidend, wie man strauchelt, sondern wie man aufsteht. Wir sind die Weltmeister, und so werden wir weitermachen.“ Toto Wolff glaubt: „Das Rennen ist noch nicht vorbei.“