Der Engländer Lewis Hamilton gewinnt die Formel-1-Premiere in Russland und baut seinen Vorsprung im WM-Kampf aus. Er hat die besseren Nerven als sein Rivale Nico Rosberg.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Lewis Hamilton ist ein höflicher junger Mann. Zunächst gab er Wladimir Putin mit Helm die Hand, nur wenige Sekunden später reichte er sie dem Kreml-Chef noch einmal ohne Kopfbedeckung – damit dieser auch erkennen konnte, mit welchem Rennfahrer er es da zu tun hatte. Wieder etwas später gratulierte dann Putin dem Briten auf dem Podest ein drittes Mal und überreichte ihm den Hauptpreis. Und bevor es zur obligatorischen Champagnerdusche kam, reichten sich der russische Staatspräsident und der Mercedes-Pilot ein viertes Mal die Hände.

 

Freunde fürs Leben? Es ist schwierig gewesen, bei der Russland-Premiere der Formel 1 dem Staatschef Putin aus dem Weg zu gehen. Normalerweise befindet sich der Formel-1-Patron Bernie Ecclestone in seinem Privatjet, da drehen die Autos noch ihre letzten Runden – doch diesmal war es anders. Der Brite war seinem Geschäftspartner Putin nicht von der Seite gewichen und damit auch fester Bestandteil der Selbstinszenierung des Politikers, dem ganz besonders darauf ankam, im Bild zu sein. Und an dem intimen Ort, an dem die drei Podestbesucher nach einem Rennen erst einmal ihre Helme abnehmen und sich mit Handtüchern den Schweiß aus den Augen reiben, stand auch noch nie so ein hochrangiger Mann wie Putin Spalier.

Putin sucht die Nähe zu Piloten und Kameras

Diese Nähe zu den Gladiatoren war für den Staatsmann aber auch schon der spektakulärste Tagesordnungspunkt beim ersten Formel-1-Gastspiel in Russland. Zuvor wurde er auf der Tribüne neben Ecclestone Zeuge einer ereignisarmen Premiere. Lewis Hamilton verwaltete einen zu keiner Zeit gefährdeten Start-Ziel-Sieg in seinem turmhoch überlegenen Mercedes. Ausgerechnet beim ersten Russland-Auftritt in Sotschi präsentierte sich die Formel 1 in einer ihrer langweiligsten Varianten.

Der einzige Höhepunkt ereignete sich nach dem Start in Kurve eins, als Rosberg couragiert seinem Team- und WM-Rivalen Hamilton zu überholen versuchte. Beim dadurch erforderlichen heftigen Bremsmanöver zerstörte der Deutsche seine Vorderreifen und musste sich in der Box frisches Material abholen. Damit nahm sich der gebürtige Wiesbadener mal wieder selbst aus dem Rennen. Rosberg musste sich ganz hinten einreihen und kämpfte sich noch auf den starken zweiten Platz vor. Das machte im Prinzip auch die inzwischen schon zur Langeweile ausartende Überlegenheit der Mercedes-Autos deutlich, aber auch dies: der Blonde steht sich im Weg. In Monza überließ er seinem Rivalen nach einem Fahrfehler die Führung, und auch nach der Sotschi-Wettfahrt blieb nur die bitterer Erkenntnis: „Ich habe es verhauen.“

Jeder Patzer macht den Rivalen stärker

Jeder dieser Patzer macht Lewis Hamilton nur noch stärker. Er führt mit 17 Punkten vor Rosberg die WM-Wertung an, das ist angesichts der doppelten Punktzahl im letzten Rennen noch nicht die halbe Miete – und doch spricht vieles für den zweiten Titelgewinn des Engländers. Er ist mental stärker als Rosberg und bewegt sein Auto wie ein Uhrwerk. „Es sieht so aus, dass sich Lewis das nicht mehr nehmen lässt“, sagt der Mercedes-Team-Aufssichtsrat Niki Lauda im Hinblick auf die drei verbleibenden Rennen. Und der „Daily Telegraph“ hat erkannt: „Rosberg sind die Antworten auf Hamilton ausgegangen.“

So gewann der Brite die vergangenen vier Grand Prix, insgesamt neun in dieser Saison – bei vier Siegen Rosbergs. „Die Saison hat gezeigt, dass der Vorsprung nie groß genug sein kann“, gibt sich Lewis Hamilton zwar noch überaus vorsichtig, aber er spürt: seine Verfassung ist blendend. So würde momentan wohl auch Putin auf seinen neuen Kumpel jeden Rubel setzen.