Ein Albtraum für Designer: Das leicht veränderte Formel-1-Regelwerk soll dazu beitragen, dass das Fahrerfeld enger zusammenrückt.

Jerez - Ein hübsches Plätzchen hat die Formel 1 sich ausgesucht, um nach zehn Wochen Winterpause den Autofrühling einzuläuten. Der Prospekt jedenfalls, der am Circuito de Velocidad von Jerez ausliegt, verheißt rassige Flamencotänzerinnen, edle andalusische Pferde und besten Sherry. Und dann das: an der spanischen Rennstrecke sind Höcker, Nüstern und Schnabeltiere das Thema.

 

Das Fahrerlager – ein Grand-Prix-Zoo? Artikel 3.7.9 aus dem technischen Reglement, in rosafarbenen Buchstaben ausgewiesen und unterstrichen, versaut die ganze Rennwagenoptik. Von den neun Neuvorstellungen haben acht deshalb einen Knick in der Fahrzeugnase. Aus Sicherheitsgründen muss die Frontpartie ab einem bestimmten Punkt vor dem Cockpit 55 Zentimeter hoch sein. Daraus entwickelt sich der Albtraum der Designer, ohne Stufe schafft es bis jetzt nur McLaren.

Die Stars in der Menge

Mercedes und HRT sind noch mit Gebrauchtwagen zur ersten von drei Testwochen angereist, aber auch dort wird man die Boliden kaum zum Schönheitswettbewerb anmelden. Zurück zur Sachlichkeit? Na ja, wenigstens in der Technik. Aber am Ende siegt – hoffentlich – wieder das Kreative über die Konventionellen. Denn nur das gibt, in jeder Hinsicht, eine gute Vorstellung. Widmen wir uns den eigentlichen Stars in der Manege: Der Weltmeister Sebastian Vettel fehlt noch, er lässt seinen Red Bull einfahren: Webber, hol schon mal den Wagen!

Ein Australier als Eintänzer aber taugt nicht so sehr zum Amusement des 300-köpfigen Medienaufgebots. Dann stoßen wir doch lieber auf die Rückkehr von Kimi Räikkönen an, der nach gescheiterten Querfeldein- und Kreisbahnabenteuern wieder zurück ist in der Formel 1. Natürlich heißt es ganz trocken, dass der finnische Weltmeister aus dem Jahr 2007 jetzt ein ganz anderer sei. Vor allem ist er jetzt auch 32 Jahre alt, und sein bisheriger Renault-Rennwagen heißt jetzt Lotus.

Der „Iceman“ fuhr zum Auftakt schneller als alle bei den Testfahrten des vergangenen Jahres. So einen braucht der Boss Bernie Ecclestone, und mittlerweile sind nicht weniger als sechs Weltmeister aktiv. Mal sehen, wen das Vorbild Michael Schumacher noch so alles lockt. Der muss sich in seinem dritten und vertragsmäßig vorläufig letzten Comebackjahr noch einmal gedulden, Mercedes will seinen Silberpfeil in der Rennfabrik fit machen und in Spanien lediglich Vergleichsfahrten anstellen. Keine Frage: eine Risikotaktik.

„Der Red Bull sieht doch aus wie ein Geier“

Aber was, wenn nicht Aggressivität, soll das vermeintliche Dreamteam denn anders tun, um endlich aus dem Albtraum aufzuwachen? Bei stolzen 18 Grad (plus!) kann man ja wohl kaum von einem Kaltstart sprechen. Und wie das immer so ist in diesem Geschäft, funktioniert die Hoffnung als Hybridantrieb. Das Feld der Formel-1-Fahrer werde enger zusammenrücken, Sebastian Vettel müsse mit heftigen Attacken der Konkurrenz rechnen – das bis auf die verunglückte Nasenregelung eher unmerklich veränderte Regelwerk gibt Auftrieb bis zum Hinterbänkler.

Der heißt beispielsweise Timo Glock, kommt aus dem Odenwald, und sein Marussia-Virgin-Team hat bis auf den spektakulären kosmonautischen Namen als einziger Rennstall noch gar nichts Fahrbares zu bieten. Aber mit „Monster“ einen neuen Sponsor – passenderweise eine Jobsuchmaschine. Am Ende des ersten Arbeitstages der neuen Saison wird immer noch fachmännisch zoologisch über die neue Fahrzeuggeneration diskutiert („Der Red Bull sieht doch aus wie ein Geier!“), aber endlich können auch die ersten Verschwörer, die wichtigsten Claqueure von Zampano Bernie Ecclestone, die ersten Trainingsrunden drehen:

Was der für Sebastian Vettel zur Titelverteidigung bereitgestellte RB8 denn für einen Schlitz hat, ob der Ferrari von Felipe Massa nicht bloß eine Auspuffattrappe anmontiert hat, und warum McLaren den Dienstwagen von Jenson Button immer sofort wie vom Geheimdienst ihrer Majestät verhüllt. All diese kleinen Kunststückchen und Zaubertricks tragen dazu bei, dass der finnische Rückkehrer Kimi Raikkönen provokativ lässig bilanziert: „Es hat sich nichts verändert.“ Im neuen alten Job erhofft er sich, wieder mehr zum Schlafen zu kommen. Zeit für einen richtigen Weckruf: 18. März, Melbourne, Saisonstart. Manege frei.