Sebastian Vettel gewinnt in Japan sein fünftes Rennen nacheinander – aber den Titel hat der Red-Bull-Pilot damit noch nicht gewonnen. In Indien bekommt er seinen nächsten Matchball.

Suzuka - Die Formel Vettel funktioniert nach dem Computerprinzip, mit den Befehlen „Kopieren“ und „Einsetzen“. Beim Großen Preis von Japan hat der Red-Bull-Pilot zum fünften Mal in Folge gewonnen. An seinem vierten WM-Titel nacheinander gibt es immer weniger Zweifel, auch wenn die vorzeitige Entscheidung um zwei Wochen verschoben werden muss. „Das ist nur noch eine Frage der Zeit“, sagt der letzte theoretisch verbliebene Gegenspieler, Fernando Alonso. Der Spanier wurde in Suzuka Vierter und liegt in der Gesamtwertung 90 Punkte (207:297) zurück – dafür aber in der ewigen Punktwertung der Formel 1 jetzt fünf Zähler vor Michael Schumacher.

 

Doch in der Gegenwart heißt es: Vettel muss beim nächsten Grand Prix in Indien nur Fünfter werden, dann ist er durch. Der Suzuka International Race Course ist das Wartezimmer des Champions. Wären die Autos auf der Auslaufrunde nicht noch gut 60 Kilometer pro Stunde schnell, dann hätte Sebastian Vettel am liebsten beide Hände vom Steuer genommen und die ganze Welt umarmt. „Ichiban“, brüllte der Heppenheimer immer wieder, „Iiiiiiichibaaan!“ Das heißt auf japanisch Erster, und dass sich Vettel das Fremdwort so gut merken kann, ist kein Zufall: Zum ersten Mal hat er vier Siege auf einer Rennstrecke geholt, und noch dazu auf einer der anspruchsvollsten Pisten, die es gibt.

Von Platz zwei gestartet, den Start verhauen, den Frontflügel bei der Berührung mit dem Mercedes von Lewis Hamilton ruiniert – dann folgt er dem enteilten Roman Grosjean im Lotus und seinem Teamkollegen Mark Webber ins Ungewisse. Aber wohl dosiert. Ein taktisches Rennen, ausgerechnet, wo Vettel doch immer voll auf Attacke gebürstet ist. Dass es nach 53 Runden teilweise sehr munterer Action quer durchs Feld dann doch auf den 35. Sieg des Titelverteidigers hinausläuft, hat diesmal viel mit der Überlegenheit des Serientäters zu tun, aber auch mit der Opferbereitschaft Mark Webbers, der am Ende Zweiter vor Romain Grosjean wird, der lange wie der erste französischen Sieger seit 1996 aussah.

Adrian Newey wird zugeschaltet

Die Red-Bull-Strategen, Superhirn Adrian Newey wurde aus England zugeschaltet, hatten zunächst Webber wie Vettel auf zwei Boxenstopps gesetzt. Doch auf dieser Taktik war auch der Lotus unterwegs. Der Australier wurde auf die Jagd gesetzt, weil sich Vettel nach dem Startgerangel nur als Dritter einordnen konnte.

Also musste Webber Druck auf den Führenden Grosjean ausüben, und fuhr sich entsprechend die Reifen runter. Erster Stopp schon nach elf Runden, drei Umläufe früher als Vettel. Der Franzose musste wohl oder übel mitziehen, für ihn sah es so aus, als ob Webber der große Gegner wäre. Vettel hatte sich zurückfallen lassen und bekam nach einem Ausrutscher die Anweisung: „Mach’ Dich nicht verrückt.“

Erst zehn Runden vor Schluss war klar, dass Webber drei Stopps machen würde, da hatte der Zwei-Stopper Vettel den Franzosen Grosjean schon eingeholt – um dann von „Hase“ Webber die Führung zu erben. Der Strategiepoker, länger draußen zu bleiben und am Ende aufzutrumpfen, hatte schon bei Sebastian Vettels Titelgewinn 2011 in Suzuka funktioniert.

Das Kers-System hat versagt

Erstmals in dieser Saison hatte sich der Champion in spe in der Qualifikation Webber geschlagen geben müssen, das Kers-System in seinem Auto hatte versagt. Bis kurz vor dem Start werkelten die Mechaniker daran, die komplette Elektrik auszutauschen. Auch deshalb kam nach dem Zielstrich aus dem Helmmikrofon ein gebrüllter Treueschwur: „Ihr seid die besten Menschen der Welt. Unglaublich!“

Später war dann auch der umstrittene Finger wieder da, der aber schnell in eine Faust geballt wurde. Fünf Siege nacheinander – Vettel ist erst der sechste Pilot, der das in mehr als 60 Jahren Formel 1 geschafft hat. Auf welchem Platz Alonso während des Rennens lag, wollte Vettel erst gar nicht wissen. Das Auto und er bleiben in einer eigenen Umlaufbahn.

Sein Landsmann Nico Hülkenberg lieferte ein weiteres erfolgreiches Bewerbungsschreiben für ein Cockpit in der neuen Saison ab, indem er seinen Sauber-Rennwagen auf Rang sechs katapultierte. Sebastian Vettel weiß derweil, dass er sich nur noch auf die eigene Leistung konzentrieren muss. Lediglich auf dem Podium geriet er leicht ins Stottern und gab zu: „Dieses Rennen hat mich einfach umgehauen.“ Dann gab es noch die Frage, wie er denn in zwei Wochen in Indien fahren werde. „Auf Sieg

.“ Was sonst. Kopiermodus eben.