Am Sonntag gastiert die Formel 1 in Malaysia. Vor dem Rennen in Sepang ist Sebstian Vettel nach Platz zwei zum Saisonauftakt in Australien guten Mutes.

Sepang - Red Bull ist für Österreich wie modernes Weihwasser. Derart beflügelt sind die Versuche der vergangenen Jahre, aus dem Heppenheimer Sebastian Vettel einen Austro-Hessen zu machen. Stimmt schon, im deutschen Formel-1-Weltmeister steckt nicht sehr viel des klebrigen Muntermachers, aber dafür eine Menge Dosengeld. Mit dem zweiten Titel für Fahrer und Team schien Red Bull für ewig unantastbar in der Alpenrepublik, deren letzter Champion Niki Lauda war.

 

Und dann das, in der Wiener „Presse“: beinahe gotteslästerliche Zweifel an der Renommiertruppe von Dietrich Mateschitz. „Die Atmosphäre ist kühler geworden im einst ,coolsten‘ Team der Welt. Konzipiert als das Antiestablishmentprogramm der Formel 1 haben 27 Siege, 39 Pole-Positionen und 63 Podestplätze den Blick von Red Bull auf die Welt verändert. Und die Mienen verfinstert. War die ‚Energy Station‘, der Hospitalitybereich des Teams, einst eine Partyzone mit Wohlfühlfaktor, so findet man dort nun Menschen, die unter dem Erfolg zu leiden scheinen, unter dem Druck des Getriebenseins nach Siegen.“ Wohlgemerkt, das stand da schon, bevor Sebastian Vettel Sechster in der Qualifikation von Melbourne und Zweiter im ersten Rennen des Jahres wurde.

Sebastian Vettel demonstriert Selbstbewusstsein

Mit der Erfahrung vom vergangenen Wochenende könnte die Geschichte wahrer geworden sein, „härter“, wie Journalisten das nennen. Zur eiligen Drucksache gar, wenn selbst der Über-Vettel offenkundig vom Fluch der Zweifachweltmeister eingeholt wird – nur zwei von neun schafften den Hattrick. Bei der Interviewviertelstunde Vettels vor dem Großen Preis von Malaysia am Sonntag baut sich eine Wand aus Reportern vor dem sitzenden Weltmeister auf. Der zuckt nicht zurück, sondern drückt entschlossen die Schultern raus. Die Körpersprache sagt: noch nie hat man ihn glücklicher über einen zweiten Platz erlebt. Das Signal kommt an, es ist zu früh für pathetische Fragen der Kategorie: „Was haben Sie zu verlieren?“

Es wäre auch der falsche Ansatz. Wenn es so etwas wie eine sportliche Philosophie von Red Bull geben sollte, dann ist es eine des Positivlenkens: Misserfolg zu vermeiden, ist nie des Chauffeurs Sache gewesen. „Das Ziel ist es, immer anzugreifen“, sagt Vettel in die Runde, und präzisiert es: „Und zu gewinnen.“ Der neue Red Bull habe kein Problem, im Gegenteil, reichlich Potenzial. Da kommt jetzt die Grundlage des entspannten Vettel-Seins durch: „Wir haben deshalb so viel Positives aus Melbourne mitgenommen, weil wir 100 Prozent aus uns selbst herausgeholt haben. Für den Moment müssen wir akzeptieren, dass McLaren besser ist, aber ich sehe keinen Grund zur Panik.“ Nicht mal neue Fahrzeugteile habe man einfliegen lassen, die Rennfabrik in England sei zu weit weg.

Die Scuderia Ferrari steht unter Druck

Tatsächlich lässt sich die Sache mit dem Druck am Kilometerzähler ablesen. Der Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali ist mal eben 25 000 Kilometer zwischen Australien, Italien und Malaysia hin- und hergeflogen, um zur Beruhigung der Öffentlichkeit eine Standpauke in Maranello zu kassieren. Prompt war in der „Gazzetta dello Sport“ nachzulesen, dass Felipe Massa („So etwas wie mit diesem Auto ist mir noch nie im Leben passiert“) zur Disposition stehen soll, nachdem Fernando Alonso den eigentlich unfahrbaren roten Wagen immerhin von Platz zwölf auf fünf vorgefahren hatte.

Malaysia gibt Aufschlüsse über den Red Bull

Der Spanier saß in Sepang wie auf der Anklagebank. Verärgert oder nervös, die italienischen Berichterstatter wollten dem Spanier keine andere Wahl zur Schilderung seines Gemütszustandes lassen. Alonso brachte kaum die Lippen auseinander, als er „ruhig“ antwortete. Für ihn selbst mag das gelten, er gehört wie Vettel oder Jenson Button zu den Antipanikern. Aber die Scuderia erwartet vor den Toren Kuala Lumpurs mehr als ein heißes Rennen, sie steckt schon vor dem zweiten Grand Prix im Schwitzkasten. Massas Rennwagen wurde komplett ausgetauscht, Chassis und alle Anbauteile. Im Formel-1-Jargon nennt man solche Autos „Baustellen“. Alonso bestätigt: „Es gibt keine magischen Momente. Nur noch harte Arbeit.“

„Wir müssen nur ganz genau herausfinden, was uns fehlt, damit wir das Auto ans Limit bringen können“, sagt derweil Sebastian Vettel, und schaltet stufenlos vom Charmeur zum Analytiker um. Möglichst viele Runden drehen bis zu Rennen, rasende Testfahrten sozusagen, das erscheint ihm besser als irgendwelche Strafexpeditionen. Nach 24 Rennen einmal nicht in der ersten Startreihe gestanden zu haben, lässt sich verschmerzen. Fragen, ob es ein ganz neues Gefühl sei, versteht er überhaupt nicht: „Das war doch kein Desaster. Wenn wir tief im Dreck stecken würden, wie tief würden es dann alle anderen tun, die hinter uns lagen?“

Das Regenwaldmotodrom in Sepang knapp oberhalb des Äquators soll mehr Aufschlüsse liefern als der Stadtkurs von Melbourne. Klarer sehen zu wollen, darin sind sich Fans und Fahrer einig. Ein Grand Prix der Antworten? Vorsicht: die Charakteristik der Piste zeichnet sich bekanntlich durch mehrere Richtungswechsel aus. „Ob ich noch einmal mit dem zweiten Platz glücklich wäre?“, fragt Sebastian Vettel: „Kommt auf die Umstände an.“