Der Mercedes-Pilot Nico Rosberg gewinnt den Großen Preis von Australien. Beim Saisonauftakt fällt sein Landsmann Sebastian Vettel aus. Rosbergs Kollege Hamilton schied sogar schon vor Vettel aus dem Rennen.

Melbourne - Es sind bloß zehn Minuten, aber die können so unendlich lang sein, so verdammt nervig. Dann nämlich, wenn der Rennwagen eines Weltmeisters nicht mehr wie geplant mit allen sechs Zylindern läuft. Gut 16 Sekunden pro Umlauf verliert Sebastian Vettel beim Großen Preis von Australien auf den Spitzenreiter Nico Rosberg, und in der vierten Runde ist es der Demütigung genug. Der Red Bull, zu diesem Zeitpunkt auf dem drittletzten Platz, rollt an die Box. Eher mechanisch wird ein Wiederbelebungsversuch unternommen, aber der schlägt fehl. Wie so vieles für den Champion in der neuen Saison einer veränderten Formel 1. So heißt der Sieger erstmals seit neun Rennen nicht Vettel.

 

Die Situation ist nicht überraschend, aber sie ist die: nicht schnell genug, nicht zuverlässig, nicht wirklich erklärbar. „Das ist extrem enttäuschend, denn wenn unser Auto läuft, dann ist es schnell. Wenn aber eine Komponente nicht funktioniert, dann läuft nichts mehr rund“, flucht der Heppenheimer. Ihm bleibt nach dem Fehlstart nur die Flucht in die Floskel: „Kopf hoch, habe ich den Jungs gesagt, es ist ein langes Jahr. So wie es uns erwischt hat, kann es die anderen auch erwischen.“ Im Team und vor allem beim Motorenlieferanten Renault sind mobile Einsatzkommandos am Werk, um möglichst schnell Maßnahmen gegen die fehlende Power und die mangelnde Standfestigkeit einzuleiten.

Zuverlässigkeit, Schnelligkeit, Zukunftsfähigkeit – es ist wohl wirklich ein bisschen viel gewesen, was sich die Formel 1 in ihrem Radikalsprung hin zur Hybridtechnik und dem Spritspar-Reglement da in kürzester Zeit vorgenommen hat. Nur 14 von 22 Autos kommen in Melbourne ins Ziel. Das Rennen ist in der Startphase unterhaltsam, um nicht zu sagen: chaotisch. Danach ist über weite Strecken nur spannend, wer durchhält oder ausfällt. Da das Feld aber schon in der Qualifikation bunt durchgemischt ist, gibt es wenigstens neue Namen. Daniel Ricciardo, der neue Mann an Sebastian Vettels Seite, ist ein vielversprechender Jung-Bulle, der 24 Jahre alte Australier fährt auf Anhieb auf den zweiten Rang. Fünf Stunden nach dem Jubel kommt der Kater – Ricciardo wird disqualifiziert, weil das Benzin schneller als erlaubt in den Sechszylinder floss. Die Farce um das Endergebnis geht aber weiter, Red Bull hat umgehend Protest eingelegt.

McLaren Neuling auf Platz Zwei

Damit wird der Däne Kevin Magnussen (21) im McLaren-Mercedes bei seinem Debüt auf den zweiten Platz befördert, vor seinem Teamkollegen Jenson Button. So einen Start als Neuling hatte zuletzt nur Lewis Hamilton hingelegt, der 2007 an gleicher Stelle auch aufs Podium kam und zwei Jahre später Weltmeister war.

Stichwort Hamilton: der erklärte Favorit der Buchmacher muss schon eine Runde vor Vettel den Dienst quittieren – Fehlzündungen in seinem Silberpfeil. Die Pole-Position hatte er schon am Start verloren an seinen größten Gegner, den Teamkollegen Nico Rosberg. Der Wiesbadener fährt fortan ein Rennen gegen sich allein, selbst eine Safety-Car-Phase ändert nichts an der Überlegenheit. Fast 25 Sekunden Vorsprung bringt der Deutsche ins Ziel, im Unterschied zum letzten Jahr hat sich also nur der Name, nicht aber die Art und Weise oder die Siegerhymne geändert. Der 28-Jährige führt damit zum ersten Mal in seiner Karriere auch die Weltmeisterschaft an. Nur am Siegesjodler über Boxenfunk und der Pose auf dem Podium muss der erste Gewinner der Turbo-Ära noch ein bisschen feilen.

Aber das mag im Hochgefühl des Triumphs für den werdenden Ehemann verziehen sein an solch einem Tag, zu dem ihm selbst nur seine Lieblingsvokabel „Wahnsinn“ einfällt. In der Beschreibung des Fahrgefühls, dem großen Thema der Vorsaison, redet er sich ins Spitzentempo: „Das hat sich gigantisch angefühlt. Plötzlich ging mein Silberpfeil ab wie sonst was. Ich kann nur sagen: Superjob.“

Der Silberpfeil war auch schon in der Prophase gut

Mercedes hat nach der schon überzeugenden Testphase noch einmal beim Zusammenspiel des Sechszylinders mit den Elektromotoren und der Software nachgeschärft. Für Rosberg lief sein Auto wie auf Schienen, was man beileibe nicht von vielen an diesem australischen Spätsommertag sagen konnte. Nach dem frühen Aus für Hamilton hat der Führende verstärkt in den Motor hineingehört, ein gewisses Restrisiko sei ja da.

Doch am Ende bleibt dann eine Erkenntnis, die sich aus der Gegenwart von Australien in die nahe Zukunft transportieren lässt: „Ich bin total euphorisch. Es ist so cool, so ein Geschoss unter mir zu haben. Schade, dass das Rennen in Malaysia erst in zwei Wochen stattfindet, von mir aus könnte das schon morgen sein. Ich habe noch nie so ein starkes Auto in meiner Karriere gehabt, das ist ein zusätzlicher Schritt in Sachen Freude.“

Der Mercedes-Sportchef Toto Wolff stellt dem Sieger im Blick auf die nahe Zukunft noch „eine kleine Leistungsreserve“ in Aussicht. Es war der 100. Erfolg eines Mercedes-Motors in der Formel 1, beginnend mit Juan-Manuel Fangio im Jahr 1954. So wird Nico Rosberg an seinem zweitgrößten Tag in der Königsklasse (der größte für ihn war immer noch der Monaco-Sieg im vergangenen Jahr) in einem Zug mit den ganz Großen dieses Sports genannt. Das ist ja mal ein Anfang.