Was war denn das? Die hochtechnisierte Formel 1 verzockt sich beim Windschatten-Poker. Vettel spricht Klartext: „Es ist schwachsinnig.“ Er wird nur Vierter, hadert auch mit Absprachen. Teamkollege Leclerc ist der Profiteur: Pole für den Monegassen beim Ferrari-Heimspiel.

Monza - Mit einem kuriosen Bummelfinale hat Charles Leclerc die Pole Position fürs Heimrennen von Ferrari erobert und das Autodromo Nazionale von Monza in ein rotes Tollhaus verwandelt. Sechs Tage nach seinem ersten Formel-1-Sieg verwies der 21 Jahre alte Monegasse WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton im Mercedes auf den zweiten Platz vor dessen Silberpfeil-Teamkollegen Valtteri Bottas. Sebastian Vettel kam im zweiten Ferrari nicht über den vierten Platz hinaus. Nico Hülkenberg wurde im Renault starken Sechster.

 

„Was für ein Durcheinander, aber egal, Pole“, funkte Leclerc an die Box. Er war der große Profiteur eines skurrilen Windschattenpokers. Weil keiner kurz vor Schluss vorneweg fahren wollte, trödelte der PS-Tross die knapp sechs Kilometer dermaßen, dass die Topfahrer zu spät über die Start- und Ziellinie für eine letzte schnelle Runde kamen. „Man braucht nicht versuchen, es zu erklären“, betonte Vettel: „Es ist schwachsinnig. Aber ohne Windschatten die Runde zu starten, ist genauso irrsinnig. Die Absprache war anders“, sagte er. Vom „Anti-Höhepunkt“ sprach Hamilton, der seine siebte Pole in Italien um gerade mal 39 Tausendstelsekunden auf Lerclerc verpasste.

Der neue Ferrari-Hoffnungsträger hatte zusammen mit Vettel sämtliche Trainingseinheiten vorher für Ferrari entschieden: Vettel die einstündige Session vor der K.o.-Ausscheidung, Leclerc am Freitag die beiden anderthalbstündigen Fahrten. Als beide im Kampf um die besten Startplätze Strecke fuhren, brandete bereits Applaus auf den Rängen auf. Das Königliche Park von Monza war natürlich fest in Tifosi-Hand. Und die bejubelten erstmal die schnellste Runde im ersten Abschnitt von Leclerc. Vettel war eine Viertelsekunde langsamer.

Verstappen muss den nächsten Rückschlag verkraften

Wie auch das Mercedes-Duo, das etwas später auf die Strecke bei strahlendem Sonnenschein kam, ging auch Ferrari im Schlepptau auf Bestzeitenjagd. Im Windschatten des Vordermanns können die Piloten auf dem Hochgeschwindigkeitskurs ausgangs der letzten Kurve bis zur Ziellinie etwa zwei Zehntelsekunden gutmachen. Die auch schon vermutete Hektik deswegen blieb aber zunächst aus, Leclerc beendete den ersten Zeitabschnitt auf Platz eins vor Hülkenberg, der nur 29 Tausendstelsekunden langsamer war. Danach folgten Bottas und Hamilton.

Max Verstappen, immerhin zweimaliger Saisonsieger, musste nach seinem frühen Aus beim Rennen am vergangenen Sonntag in Belgien da schon den nächsten Rückschlag verkraften. Der neue Motor muckte, keine Runde auf Zeit. Einziger Trost: Weil das Triebwerk vor Fristablauf gewechselt wurde, muss er eh an diesem Sonntag (15.10 Uhr/Sky und RTL) von hinten starten.

Vorn nahm die Spannung zu. Wieder fuhr Leclerc im Windschatten von Vettel auf Platz eins. Die Rück- und Abstände wurden aber kleiner. Leclerc, Hamilton, Vettel - zwischen ihnen lagen gerade mal 162 Tausendstelsekunden im zweiten K.o.-Abschnitt. Noch ein Versuch: Hamilton setzt sich an die Spitze.

Die Erfahrung von sechs Monza-Poles sprach für den Briten. Die durchgehend starken Auftritte bei bisherigen Heimrennen-Wochenende allerdings für Leclerc. Vettel blieb die Lauerstellung. Und dann wurde es doch voll auf der Strecke, alle wollten schnell eine erste fixe Runde. Vettel fuhr vorneweg - kein Windschatten. Es reichte nur für Rang Vier hinter Leclerc, Hamilton und Bottas.

Die erste Aufregung legte sich, Kimi Räikkönen sorgte im Alfa Romeo mit einem Ausrutscher für eine kurze Auszeit - Rote Flaggen. Als der Kurs danach wieder freigegeben wurde, verharrten alle zehn weiter in den Garagen. Zwei Minuten vor Schluss kamen alle raus. Aber ausgerechnet auf dem Hochgeschwindigkeitskurs sorgten sie mit ihrer Bummelfahrt für ein denkwürdiges Ende.