Der Mercedes-Pilot Lewis Hamilton gewinnt den Großen Preis von Portugal und überholt mit seinem 92. Formel-1-Sieg Michael Schumacher in der Bestenliste. Sebastian Vettel muss sich im Ferrari mit Platz zehn begnügen und ist enttäuscht von seinem Auto.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Wieder ein Rekord, wieder Formel-1-Geschichte geschrieben – Lewis Hamilton macht beim Großen Preis von Portugal ein weiteres Meisterstück. Er gewinnt sein 92. Rennen, ist an Michael Schumacher (91) vorbeigezogen und damit alleiniger Rekordhalter. Wo das noch hinführt mit dem Supermann der PS-Branche, dürfte auf der Hand liegen: Titel Nummer sieben in diesem Jahr. Und vielleicht der achte WM-Erfolg im nächsten. Dann hätte der Engländer dem großen Schumi auch noch die Krone des Rekordweltmeisters weggeschnappt.

 

Erst einmal ging es aber um Sieg Nummer 92, immer schön der Reihe nach. „Ich hätte mir nie erträumt, einmal hier zu stehen“, sagte Hamilton im Hinblick auf die neue Rekordmarke. Ohnehin war ja die Unterstützung prächtig und alles angerichtet für eine kleine, sicher auch den Corona-Vorschriften entsprechende Familienfeier. „Mein Vater ist hier, meine Stiefmutter Linda, mein Hund Roscoe. Es ist ein besonderer Tag. Es wird ein bisschen dauern, bis ich das begreife“, meinte der Sieger noch und befand sich im Glück. Und viel Lob gab es auch noch. „Als wir das Projekt vor acht Jahren gestartet haben, hätten wir uns nicht träumen lassen, dass wir Michaels Rekord brechen könnten“, sagte der Mercedes-Teamchef Toto Wolff und nannte Hamilton „den Besten aller Zeiten“.

Nicht aufzuhalten

Wer kann ihn aufhalten? Das ist eine Frage, die sich die Fachwelt nicht erst seit der Formel-1-Premiere im portugiesischen Küstenort Portimão stellt – für die Konkurrenz ist der Mann nicht zu fassen. An der Algarve gab der 35 Jahre alte Rennfahrer eine weitere Kostprobe seines Könnens ab, siegte leicht und spielerisch, er scheint wirklich machen zu können, was er will. Nicht einmal Regen wird ihm gefährlich. Das ist einerseits gut für Lewis Hamilton, aber auch bedrückend für diejenigen, die sich mehr Spannung erhoffen – und darauf schon lange warten.

Nur ein Schauer zu Beginn des Rennens hat den Mercedes-Piloten kurzzeitig irritiert. Nach dem Start stellte der Polesetter in Runde eins sein Auto wegen der Bedingungen quer, fiel auf Rang drei zurück und ärgerte sich später über abbauende Reifen. Doch in Runde 20 übernahm der Frontmann der Serie wieder das Kommando – und Platz eins. Den holte sich Hamilton beängstigend lässig. Er flog am Auto des Kollegen Valtteri Bottas vorbei, als habe er 50 PS mehr im Heck. Selten war eine Positionswechsel an der Spitze des Feldes so langweilig wie dieser.

Stolzer Vorsprung

Am Ende waren es dann stolze 25 Sekunden, die der Brite vor seinem Partner ins Ziel kam, ein souveräner Sieg war das. Der Red-Bull-Mann Max Verstappen verhinderte als Dritter, dass Mercedes bereits in Portugal vorzeitig Konstrukteurs-Weltmeister wurde. Fünf Rennen werden in dieser Saison noch absolviert. Beim nächsten Mal könnte es so weit sein.

Der Ferrari-Pilot Charles Leclerc wurde als Vierter bei der allgemeinen Demütigung durch Hamilton noch verschont – alle anderen Autos hatte der Mercedes-Mann überrundet. Wer ihm so viel Dominanz ermöglichte, das wusste er natürlich auch. „Ich verdanke alles den Kollegen in der Fabrik. Sie verschieben die Ziele jedes Jahr noch höher. Die Zuverlässigkeit war unglaublich“, erklärte Hamilton und sprach von einer inspirierenden Zusammenarbeit. Dass er sich in Runde eins nicht gegen den Partner Bottas wehrte, das habe durchaus seine Gründe gehabt. „Vielleicht hätte ich versuchen sollen, mich gegen Valtteri zu verteidigen, aber ich war mir sicher, dass ich später meine Chance bekommen würde. Ich hatte im rechten Beim einen Krampf. Es hat ziemlich wehgetan.“

Greifbar nahe

Lewis Hamilton dürfte nach seinem achten Sieg im zwölften Saisonlauf bald auch die nächste Schumacher-Bestmarke erreichen – der siebte WM-Titel ist bei 77 Punkten Vorsprung auf den WM-Zweiten Bottas greifbar. Hamilton gewann nach seinen Erfolgen in Mugello und auf dem Nürburgring jetzt in Portimão auf der dritten Strecke, die nur wegen der Corona-Pandemie und der Absage anderer Rennen auf anderen Kontinenten in den Kalender gerutscht war.

Für Hamiltons ehemaligen WM-Rivalen Sebastian Vettel blieb am Ende des Grand Prix von Portugal ein zartes WM-Pünktchen übrig, das er sich im Ferrari als Zehnter holte. Er wird froh sein, wenn die für ihn qualvolle Saison endlich ein Ende gefunden hat. „Natürlich bin ich nicht zufrieden, ich bin ja nicht hier, um Zehnter zu werden“, sagte der Heppenheimer, „aber das Gefühl im Auto ist schon das ganze Jahr ein bisschen Murks.“