Im Stuttgarter Mercedes-Benz-Museum hat der Formel-1-Rennstall Mercedes am Montag seinen neuen Fahrer Valtteri Bottas vorgestellt. Der Silberpfeil-Pilot richtet die erste Kampfansage an Lewis Hamilton.

Stuttgart - Der leere Barhocker im Mercedes-Benz-Museum steht nicht zufällig direkt vor dem legendären Silberpfeil von Juan Manuel Fangio aus dem Jahr 1955. Gleich wird hier jener Mann Platz nehmen, der die ruhmreiche Motorsport-Geschichte der Stuttgarter Autobauer fortschreiben soll – und tatsächlich, da ist er: Valtteri Bottas (27), Formel-1-Rennfahrer aus Finnland, Nachfolger des Weltmeisters Nico Rosberg, neues Mitglied der Mercedes-Rennsportfamilie, und sagt: „Hello.“

 

Sein tailliertes Hemd leuchtet auch jetzt noch blütenweiß, wahrscheinlich hat er es zwischendurch gewechselt. Denn Bottas ist mittendrin, einen straff organisierten Antrittsbesuch hinter sich zu bringen, nachdem er am Montagmorgen aus seiner finnischen Heimat in Stuttgart eingetroffen ist. In Möhringen hat er seinen Dienstausweis empfangen, in Untertürkheim das Mercedes-Werk besucht und Bandarbeitern über die Schulter geschaut; er hat in viele Kameras gelächelt und noch mehr Hände geschüttelt. Das tut er auch jetzt noch, am frühen Abend im Museum, als Bottas erklären soll, wie es sich so anfühlt, neuer Mercedes-Pilot zu sein.

Stoischer Langmut eines Finnen

„Es fühlt sich immer noch großartig an“, sagt Bottas, ein höflicher, zurückhaltender Mann mit blonden Haaren, der noch viele andere warme Worte für seinen neuen Arbeitgeber bereit hält. Mit dem stoischen Langmut eines Finnen bringt er die vielen Termine hinter sich und hat keine Mühe, sich jederzeit freundlich und verbindlich zu zeigen. Denn er weiß genau: Es ist die Chance seines Lebens. Seine Augen leuchten daher nicht weniger als sein Oberhemd.

Auch Bottas hat an jenem 2. Dezember 2016, dem Tag als Nico Rosberg völlig überraschend seinen sofortigen Rücktritt erklärte, zum Telefon gegriffen und die Nummer des Mercedes-Sportchefs Toto Wolff gewählt. So gut wie alle Formel-1-Fahrer haben das getan, um sich für das plötzlich frei gewordene Weltmeister-Cockpit zu bewerben. Positive Signale erhielt Bottas von Wolff, der damals nicht nur Mercedes-Mann, sondern auch sein persönlicher Manager war – „aber in der Formel 1 kann alles passieren“, sagt Bottas, „da darf man sich erst sicher sein, wenn die Tinte trocken ist“.

Sechs Wochen musste er sich gedulden. Toto Wolff klärte die Ablösemodalitäten mit Williams, Bottas’ langjährigem Rennstall, und vertröstete Pascal Wehrlein, der sich ebenfalls Hoffnungen gemacht hatte. Am 16. Januar war es dann so weit: Wehrlein heuerte bei Sauber an, Williams überredete Felipe Massa, sein Karriereende zu verschieben – und Bottas unterschrieb bei Mercedes, als elfter Silberpfeil-Pilot der Geschichte.

Boss und guter Freund

Als sein Manager darf Wolff in der neuen Konstellation nicht mehr fungieren. „Er ist jetzt mein Boss, aber immer noch ein guter Freund“, sagt Bottas – und weiß gleichzeitig: Der Draht zum Sportchef wird ihm fortan nur noch bedingt helfen. „Ich bin nicht geholt worden, weil ich ein netter Kerl bin – ich muss das Beste aus dem Wagen rausholen.“

Niemand braucht ihm zu erklären, dass der Druck im Team des Abonnement-Konstrukteursweltmeisters größer nicht sein könnte. Das spürte Bottas, als er sich neulich am Formel-1-Hauptsitz des Rennstalls im englischen Brackley vorstellte. „Was mich am meisten beeindruckte, war dieser Erfolgshunger, den es dort auch nach den vielen Titeln noch immer gibt. Sie tun alles, um noch besser zu werden“, sagt Bottas.

Auch der Drohung von Lewis Hamiltons Vater („Lewis killt Fahrer. Er ist ein Karriere-Killer“) hätte es nicht bedurft, um Bottas wissen zu lassen, dass der größtmögliche Gegner künftig im eigenen Team sitzt. An der erbitterten Rivalität zu Hamilton wäre Rosberg fast zerbrochen. Bottas will das Duell positiv angehen. Er habe „kein Problem“, er sehe es vielmehr als „riesige Chance“.

Als Hamiltons Juniorpartner betrachtet sich Bottas freilich keineswegs. Zwar hat der Finne auch nach 77 Grand Prix im Williams-Auto noch keinen Sieg vorzuweisen – am Steuer von Mercedes soll sich dies aber schnell ändern. „Es entspricht nicht meiner Mentalität, mich mit Platz zwei zufrieden zu geben“, sagt Bottas: „Mein einziges Ziel ist es, Rennen zu gewinnen und Weltmeister zu werden.“ Am besten gleich in seiner ersten Mercedes-Saison. Nur ein Jahr, so heißt es, laufe sein Vertrag – ein Jahr auf Probe sozusagen. „Ich weiß, dass ich liefern muss.“

Bottas stählt sich im Kraftraum

Seit Wochen stählt sich Bottas dafür im Kraftraum – jetzt wird es langsam ernst. Am 23. Februar soll der neue Mercedes W08 in Silverstone präsentiert werden, die ersten Testrunden auf der Grand-Prix-Strecke in England stehen unmittelbar danach auf dem Programm. Der Saisonauftakt folgt am 26. März mit dem ersten Rennen in Melbourne, dem Silberpfeil-Debüt von Bottas.

Also verlässt der freundliche Finne wieder seinen Barhocker im Mercedes-Museum. Die nächsten Termine stehen an, Valtteri Bottas hat keine Zeit zu verlieren: „Ich kann es kaum erwarten, dass es losgeht.“