Der Formel-1-Mercedes für die Saison 2018 soll die Stärken des Vorgängermodells übernommen und die Schwächen behoben haben.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Als sich die Formel 1 noch für den Nabel der Welt hielt, wurden bei den obligatorischen Präsentationen der Neuwagen für die bevorstehende Saison noch geklotzt. 1997 legte die britisch-schwäbische Renngemeinschaft McLaren-Mercedes mit einem Auftritt der Spice Girls die Messlatte in zuvor ungeahnte Höhen. Zehn Jahre später röhrte der neue McLaren erstmals in Valencia auf – vor 200 000 Fans! An den Spice-Girls-Größenwahn versuchte ein paar Jahre später das eher kleine Sauber-Team aus der Schweiz zumindest ein wenig heranzureichen: Erst mit Eistänzern, später mit der Sugababes, im Vergleich zu den Spice Girls einer Frauen-Gesangs-Gruppe der zweiten Kategorie. Da dürften sich die im Mutterland des Rennsports lebenden Engländer vor Lachen auf die Schenkel geklopft haben.

 

Nun, da mehr Geld in die hochentwickelten Fahrzeuge und die explodierenden Fahrergehälter gesteckt wird, fallen die Präsentationen zehn Nummer kleiner aus. Genauer gesagt: per Livestream im Internet. Mercedes enthüllte so am Donnerstag den Rennwagen mit der Typenbezeichnung W09 EQ Power+ – mit einer Lightshow in einer schmucklosen Halle in Silverstone. Und als die neue Wunderwaffe für die Saison 2018 nach vorne gerollt war, bat die Moderatorin im gediegenen schwarzen Kleid die Hauptdarsteller nacheinander zu Kurz-Statements neben das Auto: Erst den Mercedes-Sportchef Toto Wolff, dann den Weltmeister Lewis Hamilton und zum Schluss natürlich noch Valtteri Bottas, der den zweiten Mercedes steuern darf.

Der Vorgänger war das schnellste Auto im Feld

Dessen blaue Kappe, sie passte nicht ganz ins Gesamtbild. Perfektion, auch das ist die neue Formel 1, sie steckt nicht mehr in äußerlichen Details, sondern im Auto. Fatal wäre es wohl gewesen, das Vorgängermodell W08 nach dem WM-Erfolg komplett zu verändern, obwohl sich der Wagen auf kurvigen Kursen immer mal wieder als zickig erwies und dadurch der Erfolg vom Können des hochveranlagten Piloten Hamilton angewiesen. „Der W08 war das schnellste Auto im Feld. Er erzielte im vergangenen Jahr die meisten Pole Positions und die meisten Siege. Deshalb gingen wir sehr vorsichtig vor, um nicht die vielen Stärken des Autos zu verlieren“, sagte Toto Wolff über den neuen, alten Silberpfeil. Es ging viel mehr darum, die Schwächen des alten Autos zu beheben, erklärte der Teamchef.

Lewis Hamilton begrüßte die Präsentations-Gäste in Silverstone und an den Bildschirmen mit einem zart gehauchten „good afternoon everybody“. Das klang niedlich bescheiden für einen Mann, der 2018 seinen fünften WM-Titel gewinnen will, damit der bei Ferrari angestellte Rivale Sebastian Vettel seinerseits nicht seinen fünften WM-Erfolg holt. Wer schnappt sich zuerst die magische „Fünf“ und erklimmt die Etage, auf der sich die argentinischen Rennfahrerlegende Juan Manuel Fangio befindet – das ist die entscheidende Frage der am 25. März in Melbourne beginnenden Saison.

Es dauerte nicht lange, da war in Hamilton aber zum Glück wieder der Kämpfer erwacht. Nach lobenden Worten für den Teamgeist und den Eifer der 1200 Mitarbeiter in den beiden britischen Mercedes-Werken sagte er auch das: „Ich bin einfach nur heiß darauf, wieder Rennen zu fahren. Es ist verrückt. Ich fahre gefühlt schon seit Ewigkeiten, aber es ist immer noch ein wahnsinnig schönes Gefühl. Wenn es nach mir ginge, könnte ich so gut wie jeden Tag ein Rennen fahren“, meinte der Brite.

Der Radstand ist geblieben

So wünscht sich die Mercedes-Mannschaft Lewis Hamilton. Auch die Regeländerungen machen ihn nicht nervös, es gibt weniger Motoren pro Fahrer in der Saison, nur drei statt vier. Auch der Kopfschutz Halo über dem Cockpit, der die offenen Autos optisch so verändert, dass es Rennsportpuristen der ersten Stunde den Magen umdreht, scheint akzeptiert zu sein. „Ich denke, mit diesen Regeländerungen wird es in diesem Jahr für alle hart. Dadurch kommt es mehr auf mich an. Ich muss sicherstellen, dass ich sehr sorgfältig mit dem Motor umgehe“, sagt Hamilton. Sein Teampartner Bottas glaubt, dass Halo, dieses Hirschgeweih aus Karbon über den Helmen der Piloten, auch nicht so schlimm wird wie befürchtet. „Am Anfang sieht etwas Neues immer etwas komisch aus und dann gewöhnen sich die Leute mit der Zeit daran. Wenn der Halo selbst vor kleineren Verletzungen schützen kann, ist es schon eine gute Regeländerung“, sagt der Finne.

Radstand und die runde Frontnase des W08 sind geblieben, dennoch ist bewunderten Bottas und Hamilton die erkennbare elegantere Form ihres Boliden W09. Kurz nach der Präsentation des Silberpfeils zeigte Ferrari die neue rote Granate von Sebastian Vettel. Das erste Schaulaufen ist vorüber. Das zweite findet kommende Woche bei den Testfahrten in Barcelona statt. Da geht es dann erstmals um die Wurst.