Im Qualifying ist Sebastian Vettels Auto überlegen, doch im Rennen kommt alles ganz anders. Über die Gründe macht sich Red Bull nun viele Gedanken.

Melbourne - Diese Überlegenheit. Red Bull dominierte im Training wie Ferrari 2002 und 2004. Oder man selbst vor zwei Jahren. „Die WM hat noch nicht einmal richtig angefangen, und sie ist schon wieder vorbei“, schüttelte Nico Hülkenberg vor dem Start zum Großen Preis von Australien den Kopf. Sebastian Vettel demontierte die Konkurrenz. Inklusive seines Partners Mark Webber. Da wurden Erinnerungen an 2011 wach. Vor zwei Jahren gewann Vettel elf von 19 Rennen. Und Red Bull holte 18 Trainingsbestzeiten.

 

Der Titelverteidiger konnte sich auf seinen Qualifikationsrunden sogar Fehler leisten und war immer noch der Schnellste. „Sebastian wandelt so einen Ausrutscher in Speed um“, applaudierte der Teamberater Helmut Marko, als sein Schützling auf nasser Piste extrem quer stand und trotzdem um drei Zehntel schneller fuhr als alle anderen. „Ein Auto von einem anderen Stern“, sagte Hülkenberg. „Du musst dir nur die Aufnahmen der Bordkamera anschauen. Das Heck des Red Bull liegt wie festgeschraubt auf der Straße.“ Nach sechs Runden begann man sich nicht nur in der Red-Bull-Box zu wundern. Vettel hatte zwei Ferrari und Kimi Räikkönen formatfüllend im Rückspiegel. Später fuhr der haushohe Favorit eine Zeit lang hinter Adrian Sutil im Force India her – und am Ende war er froh über Platz drei. Wie konnte ein Auto am gleichen Tag so verschieden sein? „Die Ferrari waren im Rennen schneller. Und Kimi hatte ich überhaupt nicht auf der Rechnung. Den Lotus habe ich das ganze Rennen nie gesehen. Als man mir sagte, dass er in Führung gegangen ist, dachte ich: Wo kommt denn der her?“, so Vettel.

Diese Weltmeisterschaft wird also doch kein Durchmarsch für den Titelverteidiger. Die Reifen geben wieder einmal Rätsel auf, die auch ein Weltmeisterteam nicht einfach so im Handumdrehen lösen kann. „Räikkönen ist mit einer Zweistoppstrategie über die Runden gekommen“, analysierte der Red-Bull-Teamchef Christian Horner den Saisonauftakt. „Daran war für uns nicht zu denken.“ Sebastian Vettel übte Selbstkritik: „Vielleicht sind wir mit den Reifen zu aggressiv umgegangen. Bei uns haben sie vorne wie hinten überraschend schnell abgebaut. Kimi war nicht zu holen, und Fernando Alonso hat uns mit einem früheren Boxenstopp zu einem Zeitpunkt ausgetrickst, als wir mit den Reifen die größten Schwierigkeiten hatten.“

Zieht Vettel Ferrari in Betracht?

Ansonsten herrschte Ratlosigkeit. Am Morgen fuhr der Red Bull in einer Klasse für sich, am Nachmittag fraß er die Reifen. „Wir werden uns die Köpfe zermartern müssen, um rauszufinden, was da schiefgelaufen ist“, sagte Mark Webber. Der Australier wurde Sechster. „Ich hing nach einem schlechten Start ewig im Verkehr fest. Erst in der 20. Runde hatte ich freie Fahrt. Ab da war ich schneller als Vettel.“

Das machte auch den Webber-Kritiker Marko stutzig: „Vettel hat mehr Reifen verbraucht als Webber. Das zeigt, wie wenig wir selbst uns das Resultat erklären können.“ Man muss Pirelli ja dankbar sein. Wenn die italienischen Reifen nicht so heikel wären, würde Red Bull mit seinem Speed auf und davon fahren. Man kann trotzdem nicht behaupten, dass der Red Bull generell ein Reifenfresser ist. „Am Freitag waren wir bei den Rennsimulationen schnell unterwegs“, erinnerte Vettel. Doch da war es auch um zwölf Grad wärmer als am Renntag. „Man kann da keinen Trend herauslesen, weil die Reifen auf unterschiedliche Bedingungen unterschiedlich reagieren. Es kann auf einer Strecke wie in Malaysia wieder anders laufen“, so Vettel.

In Österreich wird dem dreifachen Champion übrigens ein neuer Vertrag bis 2016 angedichtet. Marko widerspricht: „Das hat einer eins und eins zusammengezählt, und es ist drei herausgekommen. Die haben aus der Tatsache, dass wir mit Teamchef Horner bis 2017 verlängert haben, geschlossen, dass auch Vettel länger bleibt.“

Damit geht der Vertrag des Titelverteidigers vorerst einmal weiter bis 2014. Die Angst, Vettel könnte es irgendwann leid sein, dass seine Erfolge nur auf das beste Auto reduziert werden und er deshalb bei Ferrari das Gegenteil beweisen will, schwingt mit. Der Teamchef Horner glaubt zu wissen: „Alonso hat sich bei Ferrari in den Vertrag schreiben lassen, dass Vettel nicht kommen darf, solange er da ist. Und Alonsos Vertrag läuft bis 2016.“