Vier Rennen sind es noch bis zum Ende der Formel-1-Saison. Sebastian Vettel liegt an der Spitze der Fahrerwertung – und tut alles, um dort auch bis zum Ende zu bleiben.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Greater Noida/Stuttgart - Die Nachricht hat Verwirrung gestiftet – neulich beim DTM-Finale am Hockenheimring: Vettel kommt, hieß es, und er fährt mit. Vettel sollte im Scirocco-R-Cup seine Runden drehen, und so stellte sich die Frage, ob der Rennfahrer den WM-Kampf in der Formel 1 nicht mehr ernst genug nehme – nun, da er sich Gastfahrten in einem aufgemotzten Volkswagen gönnt. Doch beim Weiterlesen der Sensationsmeldung stellte sich heraus, dass das Weglassen des Vornamens kurz die Irritationen herbeigeführt hatte. Norbert Vettel fuhr da in Hockenheim mit, nicht Sebastian Vettel, dessen Sohn. „Nein“, sprach der Herr Papa zudem, „ich werde dem Sebastian keine Konkurrenz mehr machen.“

 

Vater Vettel nahm in jungen Jahren an Bergrennen teil. Im Scirocco fuhr er in Hockenheim nun auf den 23. Platz. Das sei ein respektables Ergebnis gewesen, hieß es. Denn Norbert Vettel scheuchte zum letzten Mal vor 18 Jahren einen Golf GTI bei einem Wettrennen um die Kurven. Seither kümmert er sich um nichts anders als um die Karriere seines Sohnes. Und dass sich dieser in der entscheidenden WM-Phase auch nur durch eine Winzigkeit ablenken lässt, darauf hofft natürlich der WM-Rivale Fernando Alonso – doch das macht er wohl vergeblich. So zielgerichtet wie der Heppenheimer trat zu seinen besten Zeiten nicht einmal Michael Schumacher auf. Keine Zeit für den Scirocco-Cup.

Mit dem netten Herrn Vettel ist nicht zu spaßen

Scirocco-Fahren ist etwas für den Vater, und das Herumturteln überlässt Sebastian Vettel dem Kollegen Alonso. Eine Boulevardzeitung befürchtete zuletzt ja schon, der Spanier würde den Titel noch vergeigen, weil er sich in der Vorbereitung mehr mit seiner Freundin beschäftige – und nicht mit dem lahm gewordenen Ferrari. Alonso spürt offenbar, dass er im Nachteil ist und ihm die Felle davonzuschwimmen drohen. Davon zeugen die aus Ferrari-Sicht Besorgnis erregenden Vettel-Siege in den vergangenen drei Wettfahrten und die Führung, die der Deutsche nach dem Südkorea-Grand-Prix übernahm. Das Blatt hat sich gewendet. Und in dieser Phase ist mit dem netten Herrn Vettel nicht zu spaßen.

Alonso merkt das. Experten der Szene führen Vettel auf dem Zettel, nicht ihn. So würde auch der ehemalige Formel-1-Pilot Ralf Schumacher sein Geld vor dem Indien-Grand-Prix am Sonntag (10.30 Uhr/RTL) auf den Südhessen als Weltmeister des Jahres 2012 setzen – nicht auf den Iberer. „Sebastian ist aus meiner Sicht der zurzeit beste Fahrer im Feld“, sagte der DTM-Pilot und jüngere Schumacher-Bruder zuletzt.

Noch vier Rennen sind zu absolvieren: Vettels Vorsprung beträgt sechs Punkte, viel ist das nicht. Doch die Trendwende im Kräfteverhältnis zwischen Red Bull und Ferrari lässt den Schluss zu, dass Vettel alle Trümpfe in der Hand hält. Aber er wird sich nicht darauf verlassen, sondern nur darauf, was er selbst beisteuern kann: seinen enormen Ehrgeiz, den Glauben an sich selbst und die Fähigkeit, das Team in seinen Bann zu ziehen.

Die Mannschaft steht uneingeschränkt hinter ihm

Sebastian Vettel will nur noch auf sich schauen, nicht auf Alonso. Das macht ihn jetzt so gefährlich. „Es fühlt sich sehr gut an, dass wir zum ersten Mal in dieser Saison die Führung übernommen haben, aber wir wollen uns darauf auf keinen Fall ausruhen“, sagt der 24-Jährige und legt sich für die finalen Aufgaben eine ihm angemessene Marschroute zurecht: „Die kommenden Rennen haben absolute Priorität. Was die anderen Teams machen, ist sicher nicht unwichtig, aber es liegt nicht in unserer Hand. Und deshalb bleiben wir – wie immer – ganz bei uns.“

Vettel, der lieber das Wort „wir“ benutzt als den Singular, hat also längst den Tunnelblick. Aber nicht nur er. Die ganze Mannschaft steht uneingeschränkt hinter ihm und schiebt Überstunden für die Mission Titel Nummer drei: „Ich könnte nicht eine Nacht mit zu wenig Schlaf auskommen, aber die Jungs im Team machen das nun schon drei Wochen in Folge. Das ist wirklich beeindruckend.“ Vettel ist von seiner Truppe vollends begeistert. Und in seiner Euphorie lässt er auch die Vermutung zu, als gehe es um deutlich mehr als ein paar Ehrenrunden im Scirocco-Cup.