Auch im vierten Jahr bei Ferrari zieht der Heppenheimer in der WM gegen Dauerkonkurrent Lewis Hamilton den Kürzeren – und muss Kritik von Nico Rosberg einstecken.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart/Mexiko-Stadt - Wieder nichts. Wieder nicht Weltmeister geworden. Seit 2013 wartet Sebastian Vettel auf seinen fünften WM-Titel. Das heißt natürlich, er wartet nicht darauf, dass er ihm in den Schoß fällt, sondern er kämpft darum mit allem, was er besitzt: Fahrkönnen, Leidenschaft, Disziplin, Ehrgeiz. Dass es in dieser Saison wieder nicht reichen würde, stand spätestens nach dem Großen Preis der USA vergangenen Woche so gut wie fest – dass Lewis Hamilton in Mexiko nun den Sack endgültig zumachen würde, war eigentlich nur noch Routine, wie er bei einem ordentlichen Boxenstopp praktiziert wird. Der Brite meldete am Sonntag: Auftrag erfüllt.

 

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„Der Renngott könnte nächstes Jahr netter sein“, sagte Vettel, „wir werden 2019 stärker zurückkommen.“ Der Heppenheimer durchlebt eine zähe Prüfung in seiner vorzeigbaren Karriere. 2008 holte er im unterlegenen Toro Rosso den ersten Grand-Prix-Sieg, er galt als unbearbeiteter Diamant, der von Red-Bull-Berater Helmut Marko perfekt geschliffen wurde. Von 2010 bis 2013 war der Hesse der Formel-1-Überflieger im Red Bull, er räumte vier Titel in Folge ab, so dass Fachleute wie Fans in ihm Michael Schumachers legitimen Erben sahen. Nach dem mäßigen Jahr 2014 bei den Bullen wechselte Vettel mit Vorschusslorbeeren bedacht zu Ferrari – um seine Karriere in Schumacher-Manier zu veredeln.

Kein Glück bei Ferrari

Doch bei der Scuderia geriet der Erfolgsmotor ins Stottern. Bei der Traditionsmarke aus Maranello hatte Ende 2014 schon der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso kapituliert. Der Spanier war an sich und den Gegebenheiten im Rennstall gescheitert, wieder einmal einen WM-Titel nach Italien zu holen. Seit 2015 kämpft nun der Deutsche vergeblich um die Krone der Formel 1. Zweimal war er lediglich Vize (2017, 2018), einmal WM-Dritter (2015), einmal Vierter (2016). Nico Rosberg meinte kürzlich, diese negative Entwicklung sei „das Ergebnis von Fehlern. So schlägst du Lewis nie, weil Lewis keine Fehler macht“. Der Ex-Weltmeister sprich aus Erfahrung, immerhin ist es ihm gelungen, den Briten 2016 zu besiegen und Champion zu werden. Aber er saß ebenfalls in einem Silberpfeil wie Hamilton, was eine Waffengleichheit darstellte.

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In dieser Saison wurde augenscheinlich, dass Vettel unter Druck zu – nennen wir es so – unglücklichen Aktionen neigt. Dreimal in den vergangenen fünf Rennen leistete sich der 31-Jährige absolut unnötige Dreher, weil er unüberlegt angegriffen hat, zum Teil an Abschnitten, an denen ein Überholmanöver als Harakiri bezeichnet werden könnte. „Er ist manchmal ein bisschen zu selbstbewusst und akzeptiert nicht, wenn jemand anders einen besseren Job gemacht hat“, analysierte Nico Rosberg, „aber in solch einem Moment musst du zurückstecken und dir eingestehen, dass die Kurve dem Anderen gehört, du musst dir sagen – dann packe ich ihn halt ein wenig später.“

Vettel zeigt wenig Souveränität

Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Vettel in Drucksituationen die Souveränität entgleitet. 2010 räumte er Red-Bull-Teamkollege Mark Webber in Istanbul in Boxauto-Manier aus dem Weg; damals wunderten sich die Experten über sein rüdes Vorgehen. 2013 ignorierte der Heppenheimer in Malaysia eine Teamorder, Webber nicht zu überholen und meinte, der Australier habe „den Sieg nicht verdient“ gehabt. Unvergessen ist der Rammstoß gegen Hamilton in Baku in der vergangenen Saison und nun die drei unnötigen Pirouetten, die Vettel aus dem Titelrennen beförderten. „Konstanz ist der Schlüssel zum Erfolg“, sagte Nico Rosberg, „Vettel und sein Team haben aber exakt das Gegenteil abgeliefert. In den vergangenen Wochen ging es auf und ab.“

Vettel muss aufpassen, dass er nicht seine Vormachtstellung im Hause Ferrari riskiert. Bislang hatte er in Kimi Räikkönen einen ergebenen, anspruchslosen Helfer, der die besten Tage seiner Karriere hinter sich hatte. Von der kommenden Saison an sitzt Charles Leclerc im zweiten Auto aus Maranello – und der 21 Jahre alte Monegasse wird sich, den Fachleuten und vor allem den Ferrari-Granden beweisen wollen, dass er diese Chance verdient hat. Leclerc ist ein hungriger junger Wolf wie Vettel 2008 einer war, der sich keinen Respekt vor altgedienten Formel-1-Recken leisten wollte. Der Monegasse wird den viermaligen Champion im eigenen Team unter Druck setzen. Vettel muss sich warm anziehen. Die Saison 2019 wird nicht einfacher – ein Lewis Hamilton ist auch noch da.