Am Sonntag kommt es in Brasilien zum Showdown zwischen Sebastian Vettel und Fernando Alonso. Da rückt sogar der Abschied von Michael Schumacher in den Hintergrund.

São Paulo - Die längste Formel-1-Saison aller Zeiten reduziert sich im Finale von Brasilien auf eine Story: Sebastian Vettel gegen Fernando Alonso, Red Bull gegen Ferrari, 273 gegen 260 Punkte. Da rückt sogar der letzte Grand Prix von Michael Schumacher in den Hintergrund.

 

Es ist ein Duell wie einst im Wilden Westen: Gut gegen Böse. Vettel ist offen, ein erwachsenes Kind, immer einen lockerer Spruch auf den Lippen und ein Lachen im Gesicht. Nur auf dem Weg in die Startaufstellung schaut er so grimmig drein wie sein Gegner. Alonso ist verschlossen, ein Eigenbrötler, der meistens mit gesenktem Kopf und finsterer Miene durch das Fahrerlager läuft. „Fernando hat keine Freunde“, sagen die spanischen Journalisten. „Auch zu uns hält er Distanz. Es kommt vor, dass er nicht mal zurückgrüßt.“

Der 31-Jährige aus Oviedo ist noch ein Fahrer der alten Schule. Einer, der im Cockpit kämpft und außerhalb. Psychologische Kriegsführung gehört bei ihm zum Geschäft. In der Siegerloge von Austin gratulierte Alonso kurz dem Sieger Lewis Hamilton. Vettel ließ er links liegen. Es ist für ihn ein Zeichen der Schwäche, sich mit dem direkten Rivalen zu verbrüdern. So haben es früher auch Alain Prost, Ayrton Senna und Nelson Piquet gehalten. Als ihm Hamilton 2007 bei McLaren gefährlich wurde, versuchte Alonso den damaligen Formel-1-Neuling abseits der Rennstrecke auszubremsen. „Ich mache hier die Entwicklungsarbeit, und Lewis profitiert davon.“ Der Vorwurf war zwar berechtigt, kam im Team aber nicht gut an. Man trennte sich von Alonso im Unfrieden. Ganz anders auf der Rennstrecke: „Fernando ist einer der fairsten Fahrer. Er packt nie schmutzige Tricks aus“, sagen die Kollegen.

Vettel zeigt großen Respekt vor Alonso

Sebastian Vettel hält nichts von der Fortsetzung der Rivalität außerhalb des Autos. „Ich habe großen Respekt vor Fernando. Er ist ein großartiger Rennfahrer.“ So etwas ist von Alonso nicht zu hören. Nicht seit Vettel sein Titelkonkurrent ist. Der Weltmeister von 2005 und 2006 verteilt nur Lob an Fahrer, die ihm nicht gefährlich werden können. Zum Beispiel an Robert Kubica, der seit seinem Rallyeunfall aus dem Geschäft ist: „Robert war der Beste von uns allen.“

Dafür applaudiert Alonso in letzter Zeit auffallend häufig dem Red-Bull-Technikchef Adrian Newey. Nur um zu sagen: Ich fahre gegen ein Wunderauto und nicht gegen Vettel. Der Deutsche kontert gelassen: „Das Team ist der Star.“

„Alonsos gefährlichste Waffe ist die Konstanz“

Mit seinem Ferrari geht Alonso weniger zimperlich um: „Von den vier Topautos haben wir das langsamste. Dafür haben wir das beste Team.“ Lewis Hamilton stuft die Tiefstapelei als Taktik ein: „Je schlechter er das Auto redet, umso besser steht er da.“ Die Stärke des Ferrari ist, dass er keine Schwäche hat. Vettel bestätigt: „Alonsos gefährlichste Waffe ist die Konstanz.“

Auch Vettel setzt sein Team unter Druck, aber immer hinter verschlossenen Türen. Alonso tut es in aller Öffentlichkeit. Der 30-fache Grand-Prix-Sieger geht auf geradem Weg auf sein Ziel los. Er ist ein Meister der Effizienz, auch verbal. Alonso denkt strukturiert, kommt schnell zum Punkt und fasst sich kurz. Diplomatie zeigt er nur, wenn es seine eigenen Interessen nicht tangiert. Von allen Fahrern liefert er die aussagekräftigsten Statements. Deshalb waren seine Presserunden auch zu einer Zeit gut besucht, als er mit Renault hinterherfuhr. Vettel verpackt seine Antworten oft in ellenlange Monologe, und man fragt sich hinterher, was er eigentlich sagen wollte. Hin und wieder merkt er es selbst: „Ich rede zu viel.“

Alonso tut sich mit dem Siegen schwer

Alonso gehen Siege selten leicht von der Hand. Was daran liegt, dass er praktisch nie im schnellsten Auto sitzt. Bei Vettel sieht Gewinnen oft ganz einfach aus. So wie in Japan, Korea und Indien, als er drei Start-Ziel-Siege in Folge feierte. Da bekommt man schnell das Etikett verpasst, dass man vom besten Auto profitiert. So wie 2011, als er elf von 19 Rennen gewann.

Vettel wehrt sich dagegen, dass die Vorjahressaison ein Durchmarsch war: „Es hatte vielleicht den Eindruck, aber bei den meisten Rennen musste ich mich ganz schön strecken, und einige hätten auch ganz anders ausgehen können. In Monte Carlo in der Safety-Car-Phase nicht die Reifen zu wechseln war ein Risiko. Da bist du hinterher entweder der Held oder der Depp. Das Auto war nicht so überlegen, wie es aussah. Wir haben nur seine Stärken genutzt und keine Fehler gemacht.“

Alonsos Kampf gegen Windmühlen trägt dagegen viel zur Legendenbildung bei. Er nutzt die Chancen, die ihm das Renngeschehen bietet. Und er gibt sich mit dem zufrieden, was möglich ist. Vettel will immer den Triumph, auch gegen jede Vernunft. Am besten noch mit der schnellsten Rennrunde zum Schluss. Da raufen sie sich am Red-Bull-Kommandostand längst die Haare, weil der Fahrer ohne Not Risiken eingeht. „Das ist ihm nicht auszutreiben“, tadelt der Teamberater Helmut Marko.

In Austin wurde Alonso darauf angesprochen, dass Vettel nach 100 Rennen schon mehr Pole-Positionen und fast so viele Siege auf dem Konto hat wie er selbst mit 197 GP-Starts. Die Antwort fiel entsprechend giftig aus: „Als ich so viele Grand Prix hatte wie Sebastian, war ich auch zweifacher Weltmeister auf dem Sprung zum dritten Titel. Es lag nicht an mir, dass es nicht geklappt hat.“

Erst kurz vor dem Finale greifen die beiden Titelaspiranten zur gleichen Taktik. Beide reden sich stark und ihre Chancen schön. Alonso beschwört das eigene Gefühl: „Tief in mir drin weiß ich, dass ich es schaffen kann. Wir haben nichts mehr zu verlieren.“ Vettel verlässt sich auf die Mathematik. Ihm reicht ein vierter Platz, egal was Alonso macht. „Ich habe die WM-Führung ausgebaut und gehe in der bestmöglichen Position in das Finale.“ Doch eines sollte Vettel zu denken geben. Alonso ging 2010 unter denselben günstigen Vorzeichen in das letzte Rennen. Trotzdem musste er Vettel den Titel überlassen.