Formel-1-Team von Sebastian Vettel Warum der Businessplan bei Aston Martin klemmt

Die Aston-Martin-Fahrer Sebastian Vettel (li.) und Lance Stroll warten auf bessere Zeiten – in Barcelona belegten sie die Plätze 13 und elf. Foto: imago/Glenn Dunbar

Der britische Formel-1-Rennstall steht in der WM auf Rang sieben kommt nicht voran, was Ex-Weltmeister Sebastian Vettel ziemlich ärgert und Teameigner Lawrence Stroll recht ungeduldig werden lässt.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Lawrence Stroll ist nicht durch Zufall reich geworden. Keine Erbschaft bescherte ihm ein geschätztes Vermögen von bald drei Milliarden Euro, was den Kanadier unter die Top 1000 der reichsten Erdenbewohner bringt, es war kein Gewinn in einer Lotterie und auch keine cleveren Spekulationen mit Öl oder Finanzderivaten. Lawrence Stroll führte die Bekleidungsmarken Pierre Cardin und Ralph Lauren in Kanada ein, er investierte in die Modefirmen Tommy Hilfiger, Michael Kors und Asprey & Garrard. Der 61-Jährige besitzt einen scharfen Sinn fürs Geschäft, und er stellt durchdachte, präzise kalkulierte Businesspläne auf.

 

Deshalb hat er Mitte 2018 den insolventen Rennstall Force India übernommen, ihn als Racing Point fortgeführt und ihn vor dieser Saison zum Aston Martin Formel-1-Team transferiert. Dahinter steckt das Kalkül, etwas Großes im Motorsport zu erschaffen, wie es Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz mit seiner Getränkedose in der Formel 1 vorexerziert und je vier WM-Titel (Fahrer und Team) gewonnen hat. Lawrence Stroll investierte 540 Millionen Euro in die kränkelnde britische Traditionsmarke, die als Fahrzeug von Geheimagent James Bond weitaus schmuckere Tage gesehen hat, mit der Intention, das im Rennsport seit Jahrzehnten beliebte Geschäftsmodell umzusetzen: „Win on Sunday, sell on Monday“; siege am Sonntag, verkaufe am Montag.

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Doch Strolls Businessplan geht bislang in etwa so auf wie das Vorhaben der Schildbürger, Licht mit Säcken einzufangen. Die 007-Piloten Sebastian Vettel und Lance Stroll kämpfen an Sonntagen nicht um Siege, sie haben sogar größte Schwierigkeiten, überhaupt Punkte zu ergattern. In Barcelona wurde Stroll junior als Elfter gewertet, Ex-Weltmeister Vettel wurde nur 13., was sich selbst von den begabtesten Marketingvirtuosen nicht als Erfolg apostrophieren lässt. „Natürlich bin ich nicht zufrieden“, ärgerte sich Vettel und gestand, dass sein Team nicht da rangiert, wo es sich sehen will. „Mir fehlte etwas Pace, um in den Kampf um Punkte einzugreifen“, haderte der 33-Jährige, „ich glaube, da wo wir ins Ziel gekommen sind, ist ungefähr da, wo wir gerade stehen.“

Also auf Platz sieben in der Konstrukteurswertung, nur Williams, Alfa Romeo und Haas stehen schlechter. Aston Martin ist der Rennstall, der nach vier Rennen am weitesten hinter den Erwartungen geblieben ist, schließlich belegte Racing Point in der Saison 2020 einen ausgezeichneten vierten Platz im Klassement. Lawrence Stroll, so wird im Fahrerlager getuschelt, habe eine „kurze Zündschnur“, er werde schnell ungeduldig, wenn es nicht so läuft wie geplant – und dann will er wissen, wer oder was schuld ist an der Misere, denn Zufall existiert ist der Welt des Milliardärs als Erklärung nur ganz am Rande.

Das Team kritisiert das Reglement

Deshalb wiederholt Teamchef Otmar Szafnauer wie ein sprachbegeisterter Papagei seit Wochen, dass das neue Aerodynamikreglement sein Team im Vergleich zum Rest am stärksten benachteilige. Der Aston Martin liegt hinten sehr tief, womit sich die Regel besonders bremsend bemerkbar mache. „Wir haben im November in Bahrain gewonnen“, sagte Szafnauer, „drei Monate später fahren wir hinterher. Was hat sich seitdem geändert? Nur die Aerodynamik.“ Eine treffsichere Analyse, jedoch waren auch Mercedes und McLaren von der Umstellung betroffen. Das Weltmeisterteam hat die Luftströmung ganz gut in den Griff bekommen, weil der Aston Martin dem Konzept des Silberpfeils recht ähnlich ist, vermutete Mercedes-Teamchef Toto Wolff: „Vielleicht zielten die Maßnahmen auf uns, und Aston Martin ist jetzt der Kollateralschaden.“

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Nun ist Mercedes auch deshalb seit 2014 ununterbrochen Weltmeister, weil das Team aus enormen Ressourcen schöpfen und sich schnell auf Veränderungen einstellen kann. Zwar wurde die finanzielle Lücke aufgrund des neu geltenden Budgetlimits von 120 Millionen Euro für diese Saison verringert, dennoch arbeitet in Brackley eine seit Jahren eingespielte Mannschaft, die von Aston Martin muss sich in Silverstone erst noch richtig finden. Derzeit wird das Werk saniert und erweitert, die Ingenieure müssen zudem damit zurechtkommen, dass sie bessere Möglichkeiten besitzen als damals, als das Team ums Überleben kämpfte. Die Prozesse müssen neu gedacht und verändert werden, was eine gewisse Zeit braucht.

Otmar Szafnauer weiß, dass Zeit in der Branche ein extrem knappes Gut darstellt und Lawrence Stroll mehr Geld als Geduld besitzt. Der 56 Jahre alte Teamchef, so haben Beobachter festgestellt, habe viel von seiner einstigen Unbeschwertheit und Lockerheit eingebüßt. Lawrence Stroll hat anscheinend die Führungsleine im Team deutlich gekürzt: Der Teameigner sieht seinen Businessplan mit Aston Martin gefährdet. Für dieses Jahr hat der Kanadier Podestplätze eingeplant, und ein, zwei Siege, um das zu erreichen, dürfte es ohne eine gute Portion Zufall nicht gehen.

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