Nur zwei Titelanwärter sind übrig: Sebastian Vettel und Fernando Alonso. Der Spanier hat Punkte gelassen – der Deutsche hat Auftrieb.

Lange hatte diese Weltmeisterschaft wie ein Buch mit sieben Siegeln ausgesehen. Auf die Frage „Wer wird Weltmeister?“ gab es sechs mögliche Antworten. Fernando Alonso, Sebastian Vettel, Mark Webber, Lewis Hamilton, Jenson Button oder Kimi Räikkönen. Die große Bandbreite an möglichen Siegern und die starken Formschwankungen selbst bei den Favoriten gaben dieser Saison ihren besonderen Reiz. Auch wenn Alonso zur Sommerpause die Gesamtwertung mit 40 Punkten vor Webber anführte, auf Vettel 42 Zähler Vorsprung hatte und auf Hamilton 47. Man hatte immer das Gefühl: Da liegt noch etwas in der Luft.

 

Nach der Sommerpause standen noch neun Rennen auf dem Plan. Genug, um Alonso einzuholen. Doch von den ursprünglich sechs Titelkandidaten sind fünf Rennen vor Schluss nur noch zwei übrig geblieben. „Jetzt beginnt eine Mini-WM zwischen Vettel und mir, und wir beide starten praktisch bei null“, bringt es Alonso auf den Punkt. Der Unterschied beträgt nur noch vier Punkte. Der Ferrari-Pilot glaubt nicht mehr, dass Hamilton noch in das Titelrennen eingreifen kann. „Lewis hat 42 Punkte Rückstand auf mich und nicht viel weniger auf Sebastian. Die Chance, beide einzuholen, ist kleiner, als wenn man sich nur auf einen konzentrieren kann.“

Alonso in der Defensive

Vettel warnt hingegen: „Der McLaren war das beste Auto nach der Sommerpause. Ich schreibe Hamilton noch nicht ab.“ Gäbe es eine Umfrage im Fahrerlager, dann würden 80 Prozent zum heutigen Zeitpunkt darauf tippen, dass Vettel das Rennen macht. Es wäre dann der dritte Titel in Folge. „Wir haben gerade einen Lauf und wollen diesen Trend nutzen“, sagt Vettel. Alonso ist längst in der Defensive. Auch verbal. „Für uns ist die WM bis jetzt gut gelaufen. Wir haben das geschafft, was für uns zu schaffen war. Die beiden Nuller aber lagen nicht in unserer Hand. Da wurden wir zum Opfer von Startkollisionen.“

So spricht einer, der sich schon auf eine Niederlage vorbereitet. Vettel dagegen versucht allzu großen Optimismus kleinzureden: „Diese WM ist ein ständiges Auf und Ab. Wir hatten gute und schlechte Rennen, und zur Zeit sind es halt mehr die guten. Das kann sich schnell ändern. Es ist erst drei Rennen her, dass ich in Monza stehen geblieben bin.“ Man muss sich nur die Körpersprache der beiden Teams anschauen, um zu erkennen, wer hier der Favorit ist. Bei Red Bull bestimmt das Auftreten ein enormes Selbstvertrauen. „Bis auf Monza hatten wir immer ein siegfähiges Auto. Durch unterschiedliche Umstände haben wir es in der ersten Saisonhälfte nicht so umsetzen können, und Alonso hatte alles Glück der Welt“, resümiert der Red-Bull-Berater Helmut Marko.

Alonso fehlen etwa 30 Punkte

Jetzt läuft die Red-Bull-Erfolgsmaschine also wieder. Und den Titelverteidigern steht auch das Glück zur Seite, das so lange gefehlt hat. Die zwei Nullrunden von Alonso waren Geschenke, mit denen man in Milton Keynes nicht rechnen durfte. Wäre Alonso in Spa und Suzuka zu Ende gefahren, hätte er selbst bei pessimistischer Rechnung zwei Podestplätze geholt. Also mindestens 30 Punkte. Das wäre auch für Vettel in einem derzeit überlegenen Auto eine harte Nuss gewesen. Alonso wurde zwar zweimal beim Start von hinten abgeräumt, und doch liegt eine indirekte Schuld bei ihm, vielmehr bei seinem Rennwagen. „Wenn du dort startest, wo ich bei diesen Rennen gestartet bin, sind Unfälle ein Risiko, das du einkalkulieren musst“, sagt er.

Die Qualifikation ist das große Problem des Ferrari. „Wir sind im Rennen regelmäßig stärker, aber wir wissen nicht, warum“, bedauert der Rennleiter Stefano Domenicali. Wer nur aus der dritten Reihe ins Rennen geht, bestraft sich selbst. Das Risiko von Kollisionen steigt tatsächlich, man steckt im Verkehr und ruiniert die Reifen – deshalb muss man bei der Strategie auch mehr riskieren. Auch Red Bull hatte das Problem der Qualifikationsschwäche eine Zeit lang mit sich herumgeschleppt. „Wir haben eine Antwort darauf gefunden“, erzählt Helmut Marko stolz.

„Die Truppe ist jetzt heiß auf den Titel“

Er wird sie Ferrari kaum mitteilen. Möglicherweise wird die WM in den Entwicklungsabteilungen in Milton Keynes und Maranello entschieden. Und da startet Red Bull gerade eine Offensive. Seit Monza kamen ein neuer Frontflügel, variable Bremstrommeln und das Doppel-DRS dazu. In Korea legte der Technikchef Adrian Newey mit einer neuen Heckverkleidung und Modifikationen am Frontflügel ein weiteres Mal nach. Das soll jetzt so bis zum übernächsten Rennen in Abu Dhabi weitergehen. „Die Truppe ist jetzt richtig heiß auf den dritten Titel“, bestätigt Marko.

Bei Ferrari herrscht dagegen Stillstand an der Technikfront. Für Korea brachten die Techniker nur Detailverbesserungen an den Flügeln mit. „Was willst du in nur vier Tagen seit dem letzten Rennen auch bringen?“, fragt Fernando Alonso ziemlich mutlos in die Runde. Die Mannschaft von Red Bull gibt ihm die Antwort.