Die WM-Chancen von Sebastian Vettel sind auf ein Minimum gesunken – trotzdem glaubt der Formel-1-Pilot an seine Chance.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Yamauba ist eine hässliche Frau. Eine mit ungepflegten Haaren und zerrissenem Kimono, einen zweiten Mund soll sie übrigens auch noch haben. Geht es nach Sebastian Vettel, müsste Yamauba beim Großen Preis von Japan schon ihr Unwesen treiben. Allerdings kann die Hexe ihr Aussehen auf wundersame Weise verändern, um ihre Opfer zu fangen. Lewis Hamilton sollte wachsam sein.

 

Was jetzt nur noch hilft, ist klar: Bei dem Briten müsste das japanische Monster als Defekthexe zuschlagen. Eine andere Möglichkeit sieht Vettel nicht, den Kampf zwischen den beiden Vierfach-Weltmeistern um die fünfte WM-Krone noch umzubiegen. 50 Punkte Rückstand sind Zeugnis einer gewissen Ausweglosigkeit, die den deutschen Piloten spürbar in einen Zustand der Resignation versetzt.

Ein bisschen Geisterstunde

Nur ein bisschen Geisterstunde und sehr viel Glück könnten den Heppenheimer Rennfahrer im WM-Spiel halten – er weiß es selbst. „Es braucht nur einen Ausfall, idealerweise zwei, und die Sache sieht wieder ganz anders aus“, sagt der Ferrai-Pilot, während sie sich bei Mercedes überlegen, bei welchem Rennen der Champagner ins Gepäck muss. Natürlich wünsche er seinem Widersacher solch ein punktloses Szenario nicht, sagt Vettel. „Aber man weiß nie, was passiert“, klammert sich der Ferrari-Mann an einen Funken Hoffnung. Dabei wird sein Stimmchen immer dünner. „Ich glaube immer noch an unsere Chance“, hauchte er am Donnerstag in Suzuka ins Mikrofon, und die Marschroute, die er ausgab, klang eher verzweifelt als mutig: „Immer volle Lotte.“

Immer volle Lotte, das haben sich schon viele gedacht. Seit 2010 das neuen Punktesystem eingeführt wurde, wonach es 25 Zähler für den Ersten und 18 für den Zweiten gibt, hat kein Formel-1-Pilot in den letzten fünf Saisonrennen einen 50-Punkte-Rückstand wettgemacht. 2017 lag Vettel nur 34 Zähler zurück – und hatte keine Chance gegen Hamilton. Im Jahr davor konnte wiederum Hamilton seinen Mercedes-Kollegen Nico Rosberg bei nur 23 Punkten Rückstand nicht mehr einfangen. Und 2015 sowie 2014 war Rosberg auf Platz zwei zementiert. Mal lag er 48 Punkte hinter Hamilton, mal 42. Da war keine Hexerei im Spiel.

Ferrari hat sich selbst geschlagen

Ferrari und Sebastian Vettel haben sich in dieser Saison selbst geschlagen. Elemente einer Ehekrise werden dieser Tage in den aufgeregten italienischen Medien sichtbar, in denen Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene bereits als Geschäftsführer des Fußballclubs Juventus Turin im Gespräch ist. Die von der Zeitung „La Repubblica“ angeschubste Debatte läuft in italienischen Internetforen rauf uns runter. Da stört es auch keinen, dass Arrivabene einer von neun Kandidaten ist, über die sich die Investmentgesellschaft der mächtigen Agnelli-Familie Gedanken macht. Ein gefundenes Fressen für Spötter. Wenn Arrivabene schon nicht im Stande ist, Formel-1-Titel zu holen, kann er dann wenigstens Fußball? In einem Land, das Mode-Manager wie Flavio Briatore zu Formel-1-Teamchefs befördert, ist auf den höchsten Berufseben alles möglich: Arrivabene hatte vor seinem Formel-1-Engegament bei Ferrari mit Zigaretten zu tun.

Surtees macht Hoffnung

„Das ist eine Jahreszeit, in der es viele Gerüchte gibt“, kommentiert Vettel die Arrivabene-Schlagzeilen und schiebt die Unruhe auf den zauberhaften Herbst. In der Tat weiß er selbst, dass er und Ferrari es 2018 selbst verbockt haben. Der beachtlichen Aufholjagd im Hinblick auf die Power des Autos folgte eine Kette von Fehlentscheidungen und Patzern. „Die letzten Rennen sind hier und da ein bisschen in die Hose gegangen“, sagt Vettel, dem nur noch ein Wunder hilft.

Oder wie wäre es mit Zauberei? Auf das heutige Punktesystem gerechnet lag John Surtees 1964 vor den verbliebenen fünf Saisonläufen sogar 54 Punkte hinter Jim Clark – und wurde noch Weltmeister. In vier der letzten fünf Grand Prix’ kam Clark nicht ins Ziel. Kaputte Halbwelle, defekte Einspritzspumpe, zwei Motorschäden – das war Hexerei vom Allerfeinsten.