Der Formel-1-Weltmeister kämpft vor dem Rennen in Kanada mit den Tücken seines Autos – und seiner Entzauberung. Renault bekommt die komplexe Antriebseinheit nicht in den Griff. Kaum ist ein Fehler behoben, rumpelt es an anderer Stelle.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Das V-System gerät aus den Fugen. Sebastian Vettels Interviewrunde an diesem Samstagnachmittag in Monte Carlo beschränkt sich auf ein flottes Vier-Fragen-vier-Antworten-Spiel, weil der ernst dreinblickende Rennfahrer dann im Formel-1-Tempo auf einem Boot verschwindet. Ein Folgetermin, der erspart ihm eine längere Unterredung. Dabei hat sich der nette Südhesse früher immer so gerne Zeit genommen und seinen juvenilen Charme zur Schau gestellt. Immer einen Spaß auf den Lippen, immer ein Lächeln, immer vergnügt.

 

Nun, da der viermalige Weltmeister in dieser Saison wirklich nichts mehr zu lachen hat, grinst nur noch einer in seinem Umfeld: der Red-Bull-Kollege Daniel Ricciardo. Sie nennen ihn den Dauerlächler, aber das war er schon, bevor er den einstigen Supermann der Branche – salopp formuliert – in alle Einzelteile zerlegte. Mit 5:1 im Qualifyingduell hat der noch viel lustigere Australier den humorlos gewordenen Deutschen entzaubert und nach sechs Rennen bereits neun Punkte mehr gesammelt. Und ganz vorne geben die Silberpfeile die Alleinunterhalter, ein echtes Problem für den erfolgsverwöhnten Heppenheimer.

Das zweite, womöglich viel schlimmere Problem, ist eben dieser furchtfrei fahrende Partnergegner Ricciardo, der einfach nicht damit aufhört, viel zu lächeln und noch viel mehr Gas zu geben. „Wenn ich so weitermache, werden sie mich weiterverpflichten“, sagt der Mann selbstbewusst, der vor knapp zwei Wochen in Monaco Dritter wurde hinter den davoneilenden Mercedes-Agenten Rosberg und Hamilton.

Die Demontage des eigenen Denkmals

Sebastian Vettel, in Monaco ausgefallen, ist derweil nicht wiederzuerkennen. Die Demontage des eigenen Denkmals macht ihm schwer zu schaffen. „Wir haben schon viele Probleme gelöst, aber da sind offenbar immer noch einige in der Kiste“, sagt er und rundet die Stellungnahme ab mit einem für seine Verhältnisse schnoddrigen: „Shit happens – wir machen weiter.“

Auch als ihn die Williams-Testpilotin Susie Wolff, die pikanterweise auch noch die Ehefrau des Mercedes-Teamchefs Toto Wolff ist, bei Probefahrten hinter sich ließ, nahm der Deutsche dies nicht mit seiner früher doch so üblichen Lockerheit hin. „Jetzt wird es wohl Zeit, die Karriere zu beenden“, spielte der Red-Bull-Pilot den beleidigten Macho. Um in die feurige Stimmung nicht noch Öl zu gießen, reagierte Susie Wolff mit einer Deeskalationsstrategie und beruhigte die Gemüter: „Er meinte es wohl nur im Spaß.“

Der Spaß ist vorbei, die fetten Vettel-Jahre vorerst vorüber – das spürt nicht nur der Rennfahrer. Auch der Red-Bull-Teamchef Christian Horner reagierte infolge des chronischen Hinterherfahrens gereizt – vor allem auf Vettels Debakel in Monte Carlo. Der Turbolader versagte. Warum? „Das ist Sache von Renault, fragen Sie die doch“, raunzte Horner in die Runde. Das sei alles so frustrierend, meinte er noch – und ging dann wortlos seines Weges.

Die Fehlerkette in Vettels Auto ist lang und abwechslungsreich

Der besagte Motorenpartner Renault bekommt die komplexe Antriebseinheit, die aus einem Turbolader und zwei Hybridsystemen besteht, einfach nicht in den Griff. Kaum ist ein Fehler behoben, rumpelt es an anderer Stelle. Die Fehlerkette in Vettels Auto ist lang und abwechslungsreich. Mal macht das Hybridsystem Sorgen, mal die Elektronik, ein andermal versagt die Software. Auch ärgerte das Team ein Kurzschluss im Kabelbaum, später ein kaputtes Getriebe – und komplettiert wird die gewaltige Pannenstatistik jetzt auch noch von einem defekten Turbolader. Das warf Vettel im WM-Kampf fast aussichtslos zurück. „Irgendwann muss es aufhören“, hofft der Pilot, der sich im Auto in diesem Jahr immer wieder „richtig hilflos“ fühlt.

Am Sonntag in Kanada kann Sebastian Vettel mit einem stärkeren Motor rechnen – Red Bull startet mit einem überarbeiteten Aggregat. Denn nach dem Rennen in Nordamerika wollen sich die Bullen vor allem im österreichischen Spielberg als Rennstreckenbesitzer und überzeugte Österreicher möglichst stark präsentieren. Vettel möchte dort den Abstand zu Mercedes signifikant verkürzen – und sich mit aller Macht gegen den Karriereknick wehren. Mehr ist nicht drin. Allerdings heißt das Auto dann immer noch Suzie – also fast wie Susie Wolff. Da verfolgt ihn etwas. Es ist einiges aus den Fugen geraten im System des Weltmeisters.