Nach seinem Wechsel von Red Bull zu Ferrari möchte Sebastian Vettel die Scuderia als neuer Leitwolf wieder auf Vordermann bringen. Das Problem: dabei könnte die Freundschaft zu seinem Formel-1-Teamkollegen Kimi Räikkönen leiden.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Wow, was für eine Freude! Sebastian Vettels Wechsel von Red Bull zu Ferrari bedeutet auch das Wiedersehen mit seinem Badmintonkumpel Kimi Räikkönen. Wie nah sich die beiden stehen, zeigt der Umstand, dass Vettel es sich erlauben kann, den wortkargen Finnen in Pressekonferenzen zu imitieren. Vettel macht das so gut, dass Rennfahrer wie Fernando Alonso vor Lachen fast am Boden liegen. Die deutsche Comedy-Szene hat Glück gehabt, dass der Heppenheimer schon früh alle Karten aufs Autofahren setzte – ein Konkurrent weniger.

 

Dass der lustige Seb und der knorrige Kimi mal Konkurrenten werden in einem Team, es war irgendwie schwer zu glauben. Nun wird die Freundschaft auf eine harte Probe gestellt. Es ist aber auch so: den Part des Zugpferdes, das die rote Truppe wie einst Michael Schumacher wieder zu Triumphen ziehen soll, den überlässt der test- und entwicklungsfaule Räikkönen natürlich lieber seinem Kompagnon. Nur schneller sein sollte der nicht. Aber das ist gegen Räikkönen gar nicht so einfach.

Vettel zu Ferrari – das war der Königstransfer vor der am Sonntag in Melbourne beginnenden Saison 2015. Damit der blonde Vierfach-Weltmeister den Neuanfang auch mit neuen Besen herbeikehren kann, wurde in Maranello fast die gesamte Führungsriege ausgetauscht. Schumi hat die Italiener aus ihrer Lethargie geholt, doch der zu McLaren geflüchtete Alonso scheiterte daran später so gnadenlos, dass der Weg zurück zum alten Muster führte. Von Vettel erwarten sich die Italiener das bewährte Zusammenwirken von italienischer Sportwagenkunst und deutschem Fleiß. Mit Schumacher hat es geklappt – warum nicht auch mit Vettel, der sein Auto auf den Namen Eva getauft hat?

Sebastian Vettel hat jetzt die nötige Reife

„Die Nummer eins zu sein, das ist natürlich unser Anspruch, auch wenn die letzten Jahre in dieser Hinsicht schwierig waren“, sagt der 27 Jahre alte Rennfahrer so, als habe er die verkorksten Vorjahre als Red-Bull-Pilot hautnah mitbekommen. Allerdings besitzt er nun die Reife, sich einer neuen, wenn auch schweren Aufgabe zu stellen. Der Ferrari-Präsident Sergio Marchionne, der den selbstherrlich auftretenden Luca di Montezemolo abgelöst hat, glaubt, in Vettel den richtigen Mann verpflichtet zu haben. „Sebastian ist rational, sehr präzise, und er befindet sich mit den Füßen auf dem Boden“, lobt der Maestro den Südhessen, der wieder Ordnung bringen soll in das mediterran charmante Chaos der Scuderia Ferrari.

Die Gefahr, unter den turmhohen Erwartungen der Italiener zu zerbrechen, sieht der Hoffnungsträger nicht. „Druck mache ich mir schon selbst. Auch wenn wir nicht von Anfang an Bäume ausreißen werden“, sagt Vettel und erwartet zunächst noch keine Wunder. Schritt für Schritt soll es nach oben gehen – der Abstand auf Hamilton und Mercedes verkürzt werden. „Unschlagbar ist keiner“, glaubt Vettel. Der Ferrari fühle sich gut an, die Rundenzeiten bei den Testfahrten seien absolut in Ordnung gewesen – das alles gebe Hoffnung. Doch auch die anderen Teams, so sein Eindruck, hätten aufgeholt.

Angekommen in seiner roten Kuscheltruppe ist der Neue vor allem begeistert von der Identifikation der Italiener mit ihrem Auto. „Der Stolz zur Marke ist spürbar“, das sei anders als bei Red Bull. Und der Kollege Räikkönen ist sowieso über jeden Zweifel erhaben. „Schwierig ist Kimi nicht, sperrig ist er auch nicht“, wehrt sich der Deutsche gegen die Stigmatisierung des Kollegen. „Kimi redet zwar nicht viel, aber das ist eine finnische Eigenschaft. Doch als ich in die Formel 1 kam, war er einer der wenigen, die mich mit Respekt behandelt haben“, sagt Vettel. Der Freundschaft ist zu wünschen, dass das so bleibt. Allerdings schert sich Kimi Raikkönen auf der Rennstrecke um herzlich wenig.