Sebastian Vettel ist in dieser Saison so dominant gewesen, so dass sein Rivale Fernando Alonso auch in der kommenden Saison mit einer Red-Bull-Überlegenheit rechnet.

Sao Paolo - Wie schade, dass Sebastian Vettel zwar am Ende der Saison, aber noch nicht in den sozialen Medien angekommen ist. Was wären das, ganz im Stil von Lewis Hamilton, für wunderbare Twitter-Botschaften: „Ich liebe euch alle.“ „Bergstraßenpower.“ „Vier sind mir nicht genug.“ „Hab dich bald Schumi.“

 

Einen Gruß an Mark Webber, der beim Großen Preis von Brasilien zum letzten Mal in der Adjudantenrolle bei Red Bull auftreten muss, wird es kaum geben, denn der könnte Vettel ganz zum Schluss noch die Party versauen. Obwohl: „Die Leute denken, dass unser Verhältnis viel schlimmer wäre, als es tatsächlich ist. Wir sind nicht die besten Freunde, aber wir können professionell zusammenarbeiten.“

Dann fügt der Heppenheimer halbwegs versöhnlich noch an, „wenn er jetzt geht, ist das ein Verlust für das Team und einer für mich“. Die Frage, ob es ein Abschiedspräsent auf der Piste geben wird, stellt sich für den Weltmeister so noch nicht: „Abwarten, wie die Umstände im Rennen sind. Ich habe beim ersten gemeinsamen Rennen kein Geschenk verteilt, und deshalb sehe ich auch keinen Grund, es beim letzten zu tun. Kommt es zum Duell, wird jeder probieren, vor dem anderen zu sein. Mark ist Sportsmann, er will den Sieg nicht geschenkt haben.“

Schumachers Rekord muss geknackt werden

Vettel selbst will es sich nicht nehmen lassen, auch noch Schumachers Bestmarke von 13 Siegen in einer Saison zu knacken. Ein letztes Mal die Rivalität auf die Spitze zu treiben, das wäre ein würdiger Abschluss für diese bisweilen dramatische Katz-und-Maus-Beziehung.

Der Große Preis von Brasilien ist der Abschluss der Formel Vettel. So souverän wie in diesem Jahr war die Ein-Mann-Show des 26-Jährigen Ausnahmerennfahrers noch nie. Fernando Alonso, zum vierten Mal in Folge der nächstbeste Auspuffgucker, redet sich seinen imaginären Titel als Vizeweltmeister halbwegs schön: „Ich bin immerhin der Erste unter den Sterblichen.“

Die 372 WM-Punkte, die Vettel bisher in dieser Saison eingefahren hat, würden allein ausreichen, um Red Bull den Konstrukteurstitel zu sichern. Nico Rosberg von Mercedes gehört zu jenen Fernsehzuschauern, die Vettels Rennen gegen sich selbst nicht langweilig finden. Er sitze beim Studium der Onboard-Aufnahmen aus dem RB 9 manchmal vor dem Computer und müsse schreien, mit wie viel Geschwindigkeitsüberschuss der Kollege durch Kurven rasen könne: „Wie geht daaaas denn?“

Die populärste Frage vor dem 19. WM-Lauf morgen in São Paolo (17 Uhr/RTL) ist die, welche Note Vettel denn seiner erst sechsten kompletten Formel-1-Saison selbst geben würde. „Ich bin hier nicht der Lehrer, ich sehe mich mehr als Schüler“, antwortet er, „auf dem Auto steht die Eins, und sie wird auch im nächsten Jahr da stehen.“ Die letzten 71 Rennrunden einer denkwürdigen Saison kann er entspannter denn je angehen, auch wenn die Wettervorhersage für das Autodromo Carlos Pace wieder Regenschauer (und damit Chaos) verspricht. Der Respekt vor der Berg-und- Tal-Bahn oberhalb des 18-Millionen-Molochs São Paulo ist immer noch da: „Hier gibt es noch Kurven, in denen man ordentlich die Pobacken zusammenkneifen muss.“

„Wir machen den besten Job“

Die allgemeine Annahme, dass die Dominanz von Red Bull den Grand-Prix-Sport in Grund und Boden fahre, wird vom Teamchef Christian Horner im Rahmen einer Ansprache zum Wir-Gefühl vehement bestritten: „Wir fahren nach den gleichen Regeln wie alle anderen. Wir machen den besten Job, den wir machen können. Wir fühlen uns nicht schlecht, weil wir so oft gewonnen haben.“ Und was die Rekorde angeht, sieht Vettel die Angelegenheit pragmatisch: „Rekorde sind da, um gebrochen zu werden. Ich weiß nicht, wie lange die Formel 1 existiert, wahrscheinlich für immer. Deshalb sind die Chancen hoch, dass auch meine Rekorde irgendwann gebrochen werden.“

Die Annahme, dass mit dem gewaltigen Regeleinschnitt 2014 und der Umstellung auf kleine Turbomotoren auch die Vettel-Festspiele zu Ende gehen, teilt vor allem einer nicht – Alonso. Er glaubt nicht, dass sich an der aktuellen Überlegenheit viel ändern wird: „Red Bull hat einen Vorteil von rund einer Sekunde. Deshalb ist es egal, welchen Auspuff oder Motor sie nächstes Jahr einbauen, sie werden immer noch auf der Pole-Position stehen.“ Vettel drückt seine Erwartungen etwas moderater aus: „Ich denke, dass die üblichen Teams vorne stehen werden. Es ist nur noch nicht klar, in welcher Reihenfolge“, sagt der Champion, der den ersten Brasilien-Pokal für die Vitrine daheim schon bekommen hat – es ist die Trophäe der italienischen Zeitschrift „Autosprint“. Der güldene Helm, den es für den vierfachen Weltmeister gab, der wäre ja auch etwas für Twitter: „Goldjunge!“