Silberpfeil-Pilot Lewis Hamilton demonstriert trotz der zuletzt ernüchternden Ergebnisse viel Selbstbewusstsein. Beim Großen Preis von Frankreicht hofft er auf eine Wende im Titelkampf mit Sebastian Vettel.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Zweifel gehen gar nicht. Wer zweifelt, hat schon verloren. Lewis Hamilton kämpft mit sich, Zweifel an die eigene Stärke auf keinen Fall in seine Gedankenwelt zu lassen. „Mein Wille ist nicht schwach“, sagt der Formel-1-Weltmeister genauso energisch wie demonstrativ vor dem Großen Preis von Frankreich an diesem Sonntag (16.10 Uhr/RTL) in Le Castellet, „das wäre das erste Zeichen von Schwäche.“

 

Zweifel, Schwäche, Versagensängste, das sind Gefühlsszenarien, die ein Lewis Hamilton nicht an sich heranlassen möchte. Weil sie kontraproduktiv sind. Denn die Situation, in der sich sein Rennstall Mercedes seit ein paar Wochen befindet, die könnte ein labiles Seelchen schon zum Verzweifeln und Zaudern bringen. Denn mit dem Grand Prix in Monaco kam die Wende in der technischen Führerschaft der Formel 1. Sowohl im Fürstentum am Mittelmeer wie auch im folgenden Rennen in Montreal auf der Île Notre- Dame im Sankt-Lorenz-Strom war Ferrari deutlich überlegen. So überlegen, dass Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff den Kanada-Grand-Prix ziemlich schnell analysiert hatte: „Ein Scheißrennen.“

Die Technik des Silberpfeils ist mitunter ein wenig anfälliger als gewohnt, auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Montreal etwa, da konnte Mercedes wegen Qualitätsproblemen das Motoren-Upgrade nicht einsetzen. Immerhin gehen die Ingenieure davon aus, dass das Upgrade in Frankreich zum Einsatz kommt. Neben der Überstunden wegen des Antriebes mussten auch die Fachleute für die Reifen intensiver nachdenken als sonst, denn der Silberpfeil kommt besonders mit der weichsten Gummimischung Hypersoft nicht wirklich so zurecht, wie es Hamilton und sein Kollege Valtteri Bottas gerne hätten. Kleiner Trost: Dieser Reifentyp wird von Pirelli beim Rennen in Le Castellet nicht angeboten. „Ferrari hat zuletzt den besseren Job gemacht“, bemerkt Hamilton nüchtern, um gleich seiner Mannschaft dick ins Pflichtenheft zu schreiben: „Wir müssen mehr tun und uns anstrengen.“

Die Vorbereitung aufs Rennen gestaltet sich knifflig

Auch wenn der amtierende Champion mit 120 Punkten lediglich ein Zählerchen hinter seinem Dauerrivalen und WM-Primus Sebastian Vettel liegt, auch wenn Mercedes in der Konstrukteurs-WM mit 206 Punkten noch deutlich vor Hauptkonkurrent Ferrari (189) rangiert – unterm Strich ist zweifelsfrei festzuhalten: Mit lediglich zwei Grand-Prix-Erfolgen in sieben Rennen ist die Saison 2018 für die Mannschaft aus Brackley die schwächste seit 2013. „Es ist hart“, sagte der 33 Jahre alte viermalige Weltmeister kürzlich, „wenn du glaubst, du hast alles richtig gemacht – und dann stimmt plötzlich das Ergebnis nicht.“

Das könnte auch in Frankreich passieren, denn Le Castellet steht seit 1990 erstmals wieder im Formel-1-Kalender, so dass für die Simulationen im Grunde keine Originaldaten von der umgebauten Strecke vorlagen. „Das dürfte interessant werden. Wir fahren nicht oft auf einer Strecke, zu der wir wenige bis gar keine Daten haben“, sagte Wolff, „die Vorbereitung gestaltet sich etwas kniffliger als normal und sorgt mit einer Unbekannten für eine noch größere Herausforderung.“

Es hängt einiges in der Schwebe, was ein datengläubiger Rennfahrer überhaupt nicht mag – Lewis Hamilton kann wenig tun, bevor er am Freitag im freien Training zum ersten Mal auf das 5,842 Kilometer lange Asphaltband bei Toulon fahren darf, um die Lage der Dinge zu checken. Also versucht der Brite, die Stimmung im Team mit wohldosierten Motivationsschüben im grünen Bereich zu halten. „Ich habe komplettes Vertrauen zu den Leuten, und ich lenke diese Energie in ihre Richtung“, betonte er. Auch bei den Ingenieuren und Schraubern will er bloß keine Zweifel aufkommen lassen.

Wer Lewis Hamilton ein klein wenig kennt, der weiß, dass der viermalige Champion einer ist, dessen Selbstvertrauen nahezu unerschütterlich zu sein scheint. Und wenn er sagt, „ich bin noch immer in der Formel 1, um zu gewinnen – und ich bin überzeugt, dass wir gewinnen können“, dann ist das wahrscheinlich kein angstvolles Pfeifen im Wald, sondern absolut ernst gemeint.