Nach drei Jahren fällt die Bilanz in der Elektroserie Formel E positiv aus, auch wenn es noch Luft nach oben gibt.

Berlin - Langsam wird die neue Motorsportwelt der Formel E zur Gewohnheit. Berlin, wo die erste elektrische Rennserie am Wochenende auftritt, kann zwar nicht ganz mit dem attraktiven Stadtkurs von Paris, als die Renner in unmittelbarer Nachbarschaft des Eiffelturms um den Invalidendom rasten, mithalten, aber der ehemalige Flugplatz Tempelhofgibt auch eine stimmungsvolle Kulisse her. Die 2030 Meter lange Strecke wurde gegenüber der Premiere vor zwei Jahren völlig neu konzipiert. Auch dass statt ohrenbetäubendem Lärm nur ein Surren wie bei einer Autorennbahn zu hören ist, ist nicht unangenehm.

 

Zur Gewohnheit wird auch die Situation aus sportlicher Sicht. Sebastien Buemi (Schweiz) führt mit 132 Punkten überlegen vor Lucas di Grassi (Brasilien/89). Beide Piloten kämpfen wieder um den Titel. In den ersten sechs Rennen konnte Weltmeister Buemi mit seinem Renault-Pilot fünfmal gewinnen, Vize-Weltmeister die Grassi siegte mit seinem Abt-Audi einmal. Auf Platz vier rangiert Nick Heidfeld (47).

Veränderungen gab’s unter den Karossen der einheitlichen Dallara-Monoposto in den drei Jahren, in denen es die elektrische Rennserie nun gibt. Während in der ersten Saison überhaupt nichts an den Elektrorennern verändert werden durfte, konnte vom zweiten Jahr an der Antriebsstrang - Elektromotor, Getriebe und Getriebeübersetzung - optimiert werden. Das führte zu einer permanenten Leistungssteigerung. Trotz gleichen Batteriekapazität von 28 Kilowattstunden. In der ersten Saison betrug die Spitzenleistung 170 kW, im folgenden Jahr schon 200 kW, in diesem Jahr stehen 220 kW an.“Die höhere Leistung haben wir durch eine größere Effizienz mit Lager mit geringerer Reibung durch neue Beschichtungen sowie durch andere Verzahnungen erreicht“, sagt Simon Opel vom Autozulieferer Schaeffler, der als Technologiepartner beim Abt-Audi-Team fungiert.

Fahrer rufen nicht immer volle Leistung ab

Einerseits lässt sich diese Leistungssteigerung in höhere Geschwindigkeiten umsetzen. Mit maximal 225 km/h surren die Renner über die Strecke. Aber auch in mehr Möglichkeiten bei der Strategie. Erst in der fünften Saison gibt’s wieder große Veränderungen. Zum einen kommen Rennwagen mit neuer, futuristischer Karosserie, zum anderen werden die Batterien größer (54 kWh). Deshalb müssen die Fahrer momentan noch das Auto wechseln. Meist erfolgt dies bei Rennhälfte. In Mexiko jedoch tauschte Lucas di Grassi nach einem Unfall schon nach einem Renndrittel sein Fahrzeug - und gewann.

Zur Taktik gehört auch, dass die Fahrer nicht immer volle Leistung abrufen. „In der Mitte von langen Geraden lupfen wir schon mal das Gaspedal und rollen auf die nächste Kurve zu“, erklärt di Grassi. Die Ingenieure sprechen dann „segeln“. Und in der anschließenden Bremsphase wird auch wieder Energie in die Batterien zurückgespeist. Zu den taktischen Spielereinen gehört auch, „dass man zu seinem Vordermann abreißen lässt, um am Ende mehr Energie zur Verfügung zu haben“, sagt der Rennfahrer aus Brasilien.

Es ist mittlerweile eine bunte Truppe, die sich in der Formel E versammelt hat. Auf der einen Seite traditionelle Autohersteller wie Renault, Citroen, Jaguar, Audi steigt in der kommenden Saison als offizielles Team ein, BMW und Mercedes haben bekundet zur Saison 2018/2019 dazu zu kommen. Auf der anderen Seite beteiligen sich Startup-Unternehmen wie Faraday Future, Nextev oder Techeetah.

Die Formel E ist eine Spielwiese für Ingenieure

Von der ersten rein elektrischen Rennserie gibt es wieder das, wofür der Motorsport viele Jahre stand: Den Transfer von der Rennstrecke auf die Straße. „In der Formel E kann man sehr schön Technologien testen, die aktuell noch nicht in Straßenfahrzeugen eingesetzt werden, aber in ein paar Jahren mit Sicherheit zum Einsatz kommen werden“, sagt Schaeffler-Mann Opel. Etwa neue Materialien oder Fertigungsverfahren.

Bei seinem Heimrennen in Berlin möchte Lucas di Grassi den Abstand zu Spitzenreiter Buemi möglichst verkürzen. Pro Rennen kann er maximal 29 Punkte (25 für den Sieg, 3 für die Pole-Position, 1 für die schnellste Runde) ergattern. In Berlin gibt’s zwei Gelegenheit. Und beim darauffolgenden Einsatz in New York (15./16. Juli) hat er dann die Möglichkeit, seinen ewigen Konkurrenten hinter sich zu lassen, weil der für seinen zweiten Arbeitgeber Toyota beim Langstreckenrennen am Nürburgring antreten muss. Beim Saisonfinale in Montreal zwei Wochen später käm’s dann zum großen Zweikampf. Wie im vergangenen Jahr. Also alles wie gewohnt.