Forscher der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung schlagen Alarm: Den 450-Euro-Jobbern wird der Mindestlohn häufig vorenthalten.

Stuttgart - Im Jahr der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes ist fast jedem zweiten Minijobber in Deutschland der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn vorenthalten worden. Dies geht aus einer am Montag veröffentlichten Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Demnach bekamen 2015 knapp die Hälfte der geringfügig Beschäftigten – man spricht auch von 450-Euro-Jobbern – weniger als 8,50 Euro brutto die Stunde, die Arbeitgeber damals mindestens zahlen mussten. Jeder Fünfte erhielt nicht einmal 5,50 Euro. Der Mindestlohn gilt seit Januar 2015 und ist mittlerweile auf 8,84 Euro erhöht worden. „Für die Arbeitgeber kam der Mindestlohn nicht überraschend, sie hatten Zeit sich vorzubereiten“, sagte Rainer Jung, Sprecher der Böckler-Stiftung. „Wir müssen davon ausgehen, dass das Mindestlohngesetz auch heute noch nicht umgesetzt ist.“ Neuere Zahlen als die von 2015 aber gebe es nicht.

 

Zwei Sozialwissenschaftler durchforsteten im Auftrag der Böckler-Stiftung Zehntausende von Datensätzen der Bundesagentur für Arbeit, das sogenannte sozio-ökonomische Panel und das Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung. Daraus ergab sich, dass im März 2015 – also drei Monate nach der Einführung des Mindestlohns – jeder zweite Minijobber noch nicht von dieser Verbesserung profitierte. Auch fünf bis elf Monate nach der Einführung des Mindestlohnes gingen 44 Prozent der Mini-Jobber noch leer aus. „Es reicht nicht aus, Mindestlöhne per Gesetz vorzuschreiben. Notwendig sind wirksame Kontrollen“, schreiben die Autoren der Studie.

Betroffen sind Gastronomie und Einzelhandel

Dass nicht alle den Mindestlohn erhalten, ändert nichts an der Tatsache, dass sich der gesetzliche Mindestlohn auf den Stundenlohn der haupterwerblichen Minijobber ausgewirkt hat: Im Durchschnitt verbesserte er sich von 8,94 Euro im Jahr 2014 auf 9,47 Euro im Jahr 2015. Doch die Ausreißer nach unten und oben sind gewaltig, wie die Statistik für 2015 zeigt: Fast 20 Prozent bekamen mehr als 11,50 Euro, doch 19,5 Prozent erhielten nur 5,50 bis 7,50 Euro, und gut 20 Prozent der Beschäftigten mussten sich mit weniger als 5,50 Euro begnügen.

Betroffen von den Verstößen gegen das Mindestlohngesetz sind laut Studie in erster Linie das Gastgewerbe aber auch der Einzelhandel. Sie treten öfter in kleineren oder mittleren Unternehmen auf. Wo es Branchenmindestlöhne gibt – Friseursalons, Land- und Forstwirtschaft, Fleischindustrie, Zeitungszusteller – haben die Forscher die Daten herausgefiltert. Ebenso nicht in der Auswertung sind Auszubildende, Praktikanten und unter 18-Jährige, die in der Regel keine abgeschlossene Berufsausbildung haben.