Der Agrarbiologe Friedrich Longin von der Uni Hohenheim erforscht alte Getreidesorten wie Emmer, Einkorn und Dinkel. In Sachen Biodiversität spielen sie eine wichtige Rolle, sagt er.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Viele Feldfrüchte haben teils putzige Namen, Getreide macht da keine Ausnahmen: Quadriga, Asory oder Campesino heißen da beispielsweise einige, dem Verbraucher freilich bei Weitem nicht so bekannt wie Granny Smith, Boskop oder Elstar. Etwa 150 Getreidesorten sind in Deutschland registriert, 50 davon sind von Bedeutung für den Anbau. Und Friedrich Longin, Agrarbiologe an der Uni Hohenheim und seit 2019 dort außerplanmäßiger Professor, sorgt dafür, dass weitere Getreidesorten wieder mehr Beachtung finden, auf jeden Fall in der Fachwelt.

 

Einkorn, Emmer und Dinkel

Deshalb hat er für den 13. Juli zu einer „Informationsveranstaltung zu Einkorn, Emmer und Dinkel“ eingeladen an der Uni Hohenheim, zu der vor allem Menschen aus den Bereichen Landwirtschaft, Agrarproduktion, Züchtung, Müller, Bäcker sowie Hersteller von Nudelprodukten und Cerealien angesprochen werden. Das ist also kein Termin, der einen Großteil der Leserschaft interessieren wird. Die Resultate solcher Veranstaltungen aber schon, wenn sie eines Tages in den Verkaufsregalen angeboten werden.

Einkorn, Emmer oder Dinkel – das sind alles uralte Getreidesorten, die es schon seit Jahrhunderten gibt, die aber weitgehend in Vergessenheit geraten sind. „Es geht darum, Neues zu schaffen im Sinne der Vielfalt an Nahrungsmitteln“, so Longin zum Sinn und Zweck der Veranstaltung. Dinkelprodukte, die gibt es mittlerweile in vielen Regalen. Aber Emmer oder Einkorn? – Longin weiß, dass man einen langen Atem benötigt, bis sich die Vorteile und Besonderheiten herumgesprochen haben: „Das dauert schon deshalb so lange, weil man ja die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigen muss. Das beginnt mit der Frage, wo man dies wie anbaut, wie man es erntet, wie man damit in den Mühlen umgeht, und geht dann weiter zu der Frage, wie man dann schließlich ein fertiges Produkt daraus macht.“ Und bevor dies den Fachleuten jetzt vorgestellt werden kann, gehen zuvor noch einige Jahre für die Forschung drauf: Welche Sorten eignen sich besser für welche Böden, wie kann man den Anbau optimal kultivieren?

Neue Interessenten gewinnen

Vor zehn Jahren hat Longin erstmals solch eine Fachtagung ins Leben gerufen. „Seitdem mache ich das immer wieder.“ Denn mit jeder solcher Tagungen will er neue Interessenten für seine Ideen gewinnen. Und natürlich gibt es stets einen neuen Forschungsstand. Viel Überzeugungsarbeit ist also notwendig, denn die Gegenargumente liegen ja auf der Hand bei Neuerungen: Zu viel Arbeit steckt dahinter, zu viel Geld kostet das Experimentieren – und lohnen sich dann all diese Mühen?

Auch deshalb gibt es diese Fachtagung: „Diese Bemühungen müssen auf möglichst viele Schultern verteilt werden, damit sie Erfolg haben“, so Longin. „Nur so gelingt die Biodiversität.“ Letzteres ist nun so ein Schlagwort. Doch was ist damit gemeint, vor allem jetzt in Zeiten des Ukraine-Kriegs, wo vor Hungersnöten gewarnt wird, hier und vor allem in Afrika? Wenn Millionen von Tonnen an Getreide in den Silos oder auf den Feldern verrotten? Und dann gibt es noch die naheliegende Forderung, man möge sich doch künftig mehr auf die Erzeugung im eigenen Land konzentrieren. Doch wie soll das hier gelingen, wo doch jeder Quadratzentimeter irgendwie verplant ist?

Mehr Vielfalt wagen

Emmer, Einkorn und Dinkel können diese globalen Probleme alleine nicht lösen. In Sachen Biodiversität spielen sie aber eine wichtige Rolle. Und das meint Longin damit: „Wichtig wäre, die wenigen kleinstrukturierten Feldflure mit artenreichen Ackerstreifen und Hecken zu erhalten und mittelfristig Agrarwüsten in diese Richtung zurückzuentwickeln. Dies hat wenig Auswirkung auf den Ertrag pro Fläche, aber große Wirkung auf die Biodiversität. Und diese kann relativ schnell gesteigert werden durch den heimischen (Wieder-)Anbau von alternativen Kulturarten.“ Die Folgen laut Longin: „So bekommt die Landwirtschaft abwechslungsreichere Fruchtfolgen, was wiederum viel Dünger und Pestizide einsparen kann.“ Klar ist aber auch: „Die Etablierung alternativer Kulturarten muss rentabel sein für die Wertschöpfungskette, entweder durch angemessene Preise oder durch Subventionen, gekoppelt an diese Leistungen.“ Höhere Preise für heimische Produkte sind für Longin folgerichtig: „Die kommen ja unter anderem dadurch zustande, dass in Deutschland eine höhere Sozialabsicherung zu höheren Löhnen führt und mehr Umweltauflagen erfüllt werden als in vielen Importländern. Und das ist doch eigentlich das, was wir alle für uns selber wollen.“