Das Weizmann-Institut – benannt nach dem ersten Staatspräsidenten Israels – zeigt, was in dem kleinen Land möglich ist: Aus Grundlagenforschung sind mit der Zeit viele profitable Patente entstanden. Ein Überblick zum Besuch des Bundespräsidenten in Israel.

Rehovot, Israel - Chaim Weizmann war nicht nur der erste Staatspräsident Israels, sondern außerdem ein Chemiker. Parallel zu seinem politischen Amt hat er in der Nähe von Tel Aviv ein Forschungsinstitut geleitet, das noch heute seinen Namen trägt. Die Wissenschaft wurde damals gebraucht, um die Bevölkerung zu bilden und das Land aufzubauen. Auch heute wird sie in Israel hochgehalten, allerdings haben sich die Wege von Politik und Wissenschaft getrennt. Wenn Bundespräsident Joachim Gauck an diesem Wochenende Weizmanns neunten Nachfolger Reuven Rivlin besucht, trifft er auf einen Juristen und Berufspolitiker. Und das Weizmann-Institut sieht sich wiederum als unabhängige Einrichtung, die nur noch ein Viertel ihres Budgets vom Staat erhält.

 

Einen beträchtlichen Teil seiner Einnahmen bestreitet das Weizmann-Institut aus Lizenzgebühren für Patente. Im vergangenen Jahr hätten Firmen in aller Welt mit hier entwickelten Patenten 29 Milliarden US-Dollar umgesetzt, sagt der Präsident des Instituts, Daniel Zajfman. Zunächst vergebe das Institut die Lizenzen kostenlos, erläutert er. Man wolle nur an den Gewinnen beteiligt werden, wenn es einmal welche geben sollte. Aber die Strategie seines Instituts, versichert Zajfman, sei: keine zu haben. Die Forschung werde von der reinen Neugier getrieben und nicht von finanziellen Interessen oder gesellschaftlichen Aufgaben. „Es ist ein Fehler, Universitäten vorzuschreiben, dass sie bestimmte Probleme lösen sollten“, sagt Zajfman. „Wir setzen unser Geld auf Wissenschaftler.“ Wer eine Stelle bekomme, dürfe forschen, woran er wolle – und er müsse sich auch nicht um die Lehre scheren. Am Weizmann-Institut gibt es keine jungen Studenten und nur wenige Vorlesungen und Seminare.

Wissenschaftler förderten die diplomatischen Beziehungen

Zajfman ist Physiker und legt Wert darauf, neben seinem Amt weiterzuforschen. „Das Institut leite ich in meiner Freizeit“, scherzt er. Wie viele israelische Wissenschaftler hat er nach seiner Promotion einige Jahre in den USA gearbeitet, bevor er nach Israel zurückkehrte und dort Professor wurde. Vor dem internationalen Wettbewerb scheint man hier keine Angst zu haben. Nicht nur haben in den vergangenen Jahren gleich mehrere israelische Forscher den Nobelpreis erhalten. Diese Woche hat zum Beispiel der Europäische Forschungsrat (ERC) die Statistik für seine begehrten und mit einer Millionen Euro hoch dotierten Nachwuchsstipendien vergeben: Israel kam in diesem Jahr nach Großbritannien, Deutschland, den Niederlanden und Frankreich auf Platz fünf. Die jungen israelischen Forscher sind vor allem in den Naturwissenschaften und der Medizin erfolgreich, seltener in den Sozialwissenschaften – und genau so sieht auch das fachliche Profil des Weizmann-Instituts aus.

Als Zajfman 2006 zum Präsidenten des Weizmann-Instituts berufen wurde, leitete er gerade parallel eine Abteilung am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. „Die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland begannen mit Wissenschaftlern“, sagte er damals im Interview mit einem Forschungsmagazin. Das sehen auch die deutschen Hochschulen so: In dieser Woche haben sich deren Rektoren mit ihren israelischen Kollegen in Berlin getroffen, um 50 Jahre deutsch-israelische diplomatische Beziehungen zu feiern. In einer gemeinsamen Erklärung schreiben sie der Wissenschaft eine Vorreiterrolle bei der Gestaltung der Beziehungen zu. Die Hochschulrektorenkonferenz hat 180 Kooperationsprojekte zwischen den beiden Ländern gezählt. (Zwei davon stellen wir vor: eins zur Quantenphysik und eins zur Umweltforschung am Toten Meer.) „Damit ist Israel für deutsche Hochschulen mit großem Abstand der wichtigste Partner in der Region“, sagt der Präsident des Verbands, Horst Hippler.

Von politischen Konflikten will man sich fernhalten

Eine persönliche Geschichte israelisch-deutscher Beziehungen erzählt Nurit Yirmiya. Sie ist Psychologieprofessorin und derzeit Chefwissenschaftlerin des israelischen Forschungsministeriums. „Mein Mann und ich sind in Familien aufgewachsen, in denen klar war, dass man nie wieder einen Fuß auf deutschen Boden setzen werde“, sagt sie. Aber ihr Mann, ein Neurowissenschaftler, kam in den 90er Jahren über einen wissenschaftlichen Kontakt ans Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, und sie sei allein in diesem Jahr schon sechsmal nach Deutschland gereist (zum Beispiel zur Falling-Walls-Konferenz in Berlin). „Die Wissenschaft ist eine wunderbare Brücke zwischen den Völkern“, sagt sie – und meint damit auch die Forschung in der arabischen Welt. Denn auch das gehört zur israelischen Sicht auf die Wissenschaft: Sie möchte nicht nur finanziell unabhängig sein vom Staat, sondern auch mit dessen Konflikten möglichst wenig zu tun haben. „Wir versuchen, uns von der Politik fernzuhalten“, sagt Yirmiya. Dass ein Politiker auch ein Wissenschaftler sein könnte wie Chaim Weizmann, kann man sich in Israel heute offenbar nicht mehr vorstellen.