Florian Kohn von der Uni Stuttgart-Hohenheim erforscht, wie Nervenzellen im Weltraum wachsen. Dieser Tage werden welche auf die Internationale Raumstation ISS gebracht. Was das mit Tumoren zu tun hat und wann Menschen im All geboren werden könnten, erklärt er im Interview.

Hohenheim - Sechs Jahre lang plante Florian Kohn von der Uni Hohenheim dieses Experiment: Nervenzellen sollen für zwei Wochen auf die Internationale Raumstation (ISS) geschickt werden. Die Forscher wollen herausfinden, wie sich die Schwerelosigkeit auf das Wachstum von Nervenzellen auswirkt. Das ist wichtig für die Gesundheit von Astronauten, aber auch für menschliches Leben, das vielleicht irgendwann im All geboren wird.

 
Sie schießen Nervenzellen ins All, sind das Ihre eigenen?
Nein, sind es nicht. Wir benutzen eine Tumorzelllinie. Wobei mir immer wichtig ist, zu sagen, dass es uns nicht interessiert, dass es ein Tumor ist. Es geht darum, dass Tumorzellen besonders robust sind und wir sie mit einfachen chemischen Mitteln in Nervenzellen verwandeln können. Wir schicken also die Vorläuferzelle ins All und sagen ihr dann, dass sie sich bitte in eine Nervenzelle verwandeln soll. Dann können wir sehen, ob das genauso funktioniert wie auf der Erde.
Was macht die Schwerkraft mit den Nervenzellen, außer sie schweben zu lassen?
Die Nervenzellen schweben tatsächlich gar nicht, die wachsen auf Kunststoffplättchen. Heute weiß man, dass sich die elektrischen Signale von Nervenzellen verändern. Wenn man sich das Nervensystem anschaut, funktioniert alles ein bisschen langsamer. Nicht so langsam, dass es für uns gefährlich wäre, aber wir können den Effekt messen. Das erklärt auch, warum Astronauten eine verlangsamte Reaktionszeit haben.
Dass Menschen im All geboren werden, ist das wirklich bald Realität, oder bleibt es vorerst Science Fiction?
Ich glaube, das wird noch lange Zeit Science Fiction bleiben. Ich fände es natürlich spannend, das noch zu erleben, und darum geht es ja auch ein bisschen in dem Experiment. Wir hatten Astronauten bereits ein Jahr auf der ISS, da steckt aber noch viel technisch dahinter, Leute so lange zu versorgen. Außerdem geht es auch um Ethik, also darum, ob es vertretbar ist, ein Kind in der Schwerelosigkeit zu zeugen und dort weiter leben zu lassen.
Gibt es etwa solche Pläne?
Ich glaube nicht, dass es da Pläne bei den Weltraumagenturen gibt, zumindest kenne ich keine. Ich denke auch, das Risiko lässt sich noch überhaupt nicht abschätzen. Wir brauchen einfach noch viel mehr Grundlagenforschung. Erst dann können wir die Daten wie ein Puzzle zusammensetzen und das Risiko für sogenannte Weltraum-Babys einschätzen. Ich finde, die Ethik ist hier sehr wichtig.