Forscher der Universität in Stuttgart-Hohenheim und Gastronomen sagen: Aus Buchweizen lässt sich etwas machen. Das Pseudogetreide eignet sich beispielsweise gut für die vegane Küche, aber längst nicht nur dafür.
Hohenheim/Plieningen - Wenn Marius Tim Schlatter vom Buchweizen schwärmt, dann scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis das Getreide seinen Platz auf der Speisekarte des Wirtshauses Garbe findet. Dort ist Schlatter Geschäftsführer. Als solcher ist er bei der breit angelegten Verkostung dabei gewesen, die das Buchweizen-Forschungsprojekt der Uni Hohenheim angeregt hat. „Der Grundgeschmack von Buchweizen ist total interessant, intensiv nussig“, sagt Schlatter, „da kommt gleich der Koch in mir durch, und ich kann mir das zu vielen Gerichten vorstellen“.
Bei der Verkostung ist herausgekommen: Die 18 verschiedenen Buchweizen-Sorten unterscheiden sich nicht nur in der Verarbeitung, sondern auch im Geschmack – was eine große Vielfalt und Kreativität in der Verwendung zulässt.
25 Buchweizen-Sorten sind untersucht worden
An der Universität Hohenheim sind es die Professoren Simone Graeff-Hönninger und Friedrich Longin, die in einem Forschungsprojekt 25 Buchweizensorten auf ihre Anbaupotenziale hin untersucht haben. „Ich bin kein Gourmet“, sagt Longin und lacht. „Aber selbst ich war überrascht, welche Geschmacksunterschiede es bei den 18 Buchweizensorten gab, und was damit alles möglich ist.“
Buchweizen enthält viele Ballast- und Mineralstoffe, ist glutenfrei, also für Zöliakie-Patienten geeignet. Und er trägt zur Arten- und Kulturvielfalt bei. Seine späte Anbauzeit mache den Buchweizen zur idealen Insektenweide, erklärt Claus-Peter Hutter, Leiter der Umweltakademie Baden-Württemberg und Ehrensenator der Universität Stuttgart. „Buchweizen bietet Insekten eine Nahrungsquelle zu einem Zeitpunkt, wenn alle anderen Kulturarten und auch viele Wildpflanzen längst verblüht sind. Damit kann die Vielfalt von nützlichen Insekten in der Landwirtschaft deutlich erhöht werden.“
Vegane Flädle klappen gut mit Buchweizen
Auch in der veganen Ernährung wird Buchweizen gerne verwendet, berichtet Marius Tim Schlatter vom Wirtshaus Garbe. Er möchte zukünftig mehr vegetarische und vegane Gerichte anbieten, „und nicht nur, um etwas Veganes auf der Karte zu haben“, erklärt Schlatter, „sondern um Gerichte zu kreieren, die man auch vor 100 Jahren so gegessen hätte, ohne nachzudenken, ob das vegan ist oder nicht“. Beispielsweise habe er neulich vegane Flädle gemacht, „dank der Bindefähigkeit des Buchweizens ging das wunderbar ohne Ei“. Die Röstnoten des Buchweizens hätten den Geschmack des Flädles spannend gemacht. „Meine Oma“, erzählt Schlatter weiter, „hat früher immer gebackenen Blumenkohl gemacht, dazu kann ich mir gut Buchweizenflädle vorstellen“. Oder ein Spargelsalat mit Tomate und Buchweizen – Schlatter hat schon jetzt viele Ideen, die er auch umsetzen will. „Wie bei jedem Lebensmittel gilt es auch hier, Erfahrungswerte im Umgang zu sammeln“, sagt er. „Aber wir wollen mutig sein und es ausprobieren.“
Im Anbau ist der Buchweizen recht anspruchslos. „Er wächst auch auf kargen Böden, und in der Regel muss nicht gedüngt werden“, erklärt Simone Graeff-Hönninger. Zwar sei er nicht so ertragsreich wie etwa Sommergetreide, habe aber etwa auch eine kurze Vegetationszeit von etwa 100 Tagen. Die Forscher arbeiten nun an einem alternativen Anbausystem – den Buchweizen als Zweitkultur nach Grünroggen oder eine frühreifenden Kartoffel Mitte Juni auszusäen. „Der Landwirt kann so auf ein und demselben Feld zwei Kulturen in einem Jahr anbauen und muss nicht alleine vom Ertrag des Buchweizens leben“, sagt Graeff-Hönninger.
Alte Kulturpflanzen sind meist ertragsärmer als moderne Sorten
Das ist auch ein Grund, warum der Buchweizen nach dem zweiten Weltkrieg aus der Mode gekommen ist, erklärt Friedrich Longin: „Bis dahin war der Buchweizen recht verbreitet. Aber die Ernährung und die Landwirtschaft änderten sich – man wollte viel Ertrag auf wenig Fläche haben, und viele ertragsärmere Sorten sind dabei hinten runtergefallen.“ Longin, der zur Landessaatzuchtanstalt der Uni Hohenheim gehört, beschäftigt sich schon lange mit jenen alten Kulturpflanzen, etwa auch Einkorn oder Emmer, und welche Vorteile sie heute noch haben können, sowohl für die Ernährung als auch für die Landwirtschaft.
„Wir haben bereits bei unseren Versuchen zu Einkorn und Emmer festgestellt, dass eine Steigerung des Konsums aktuell vor allem daran scheitert, dass der Endverbraucher diese Arten gar nicht kennt“, sagt Friedrich Longin. Darum will sein Team alte Kulturpflanzen wieder bekannter machen, die zur vielfältigen Landwirtschaft und zum Naturschutz beitragen können. „Mein Traum wäre es ja, wenn auf 50 000 Hektar in Deutschland Buchweizen angebaut werden würde“, sagt Longin. „Damit könnte man in der Biodiversität richtig was bewegen.“