Jetzt ist es möglich, Wildtier automatisch mit Chips zu bestücken. Die Forschung erhofft sich von den so gesammelten Daten Erkenntnisse über die Waldregeneration.

Die Aktion wirkt wie von Geisterhand: Als das Reh seinen Kopf aus einem Loch zieht, hinter dem ein Salzleckstein liegt, trägt es ein Halsband. Erstmals weltweit wurde ein Reh innerhalb von Millisekunden automatisch besendert. Und nicht nur das: Trägt das Tier bereits einen GPS-Sender, wird dies durch einen in das Halsband integrierten Chip erkannt. So werden Mehrfachbesenderungen vermieden.

 

Da kommt Erleichterung auf bei Ingenieuren aus den Wissenschaftlichen Werkstätten der Universität Konstanz, Forschenden der Universität, des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie und der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft (FAWF) Rheinland-Pfalz. Jahre haben sie getüftelt, bis sie ein Tier ohne Festhalten und Betäuben für wissenschaftliche Zwecke mit einem Sender ausgestatten konnten. „Das erspart den Wildtieren Stress und uns als Forschenden viel Zeit und Aufwand“, erklärt Martin Wikelski, Direktor der Abteilung für Tierwanderungen des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie und Honorarprofessor der Universität Konstanz. „Wir können sie so beobachten, wie sie sie sind.“

Rehe habeneine existenzielle Rolle für den Wald

Aus seinem rund 30 Hektar großen Aktionsraum wird das Tier alle drei Stunden Daten liefern. Nach bis zu sechs Monaten, also kurz bevor die Batterie ihren Geist aufgibt, wird es an der Sollbruchstelle brechen. Das abgestreifte Band kann geortet, alle Daten ausgelesen werden.

„Möglich gemacht hat die Entwicklung RFID-Technologie, mit deren Hilfe Daten kontaktlos gelesen und gespeichert werden können“, erklärt Marcel Indlekofer, Ingenieur der Wissenschaftlichen Werkstätten der Universität, die sich seit Jahrzehnten mit der Besenderung von Tieren beschäftigt. Gleich hinter der Öffnung befinde sich ein elektronischer Auslösemechanismus und die eigentliche Technik der Apparatur. „Abstandssensoren messen dabei kontinuierlich die Kopfposition und Schulterhöhe des Tieres“, führt der Ingenieur aus. „Dies soll einerseits die optimale Position des Rehes sicherstellen und andererseits verhindern, dass kleinere Wildtiere die Freigabe des Halsbands auslösen.“

Insgesamt sollen maximal 25 Rehe im Herbst und Winter besendert werden, wenn sie ans Lockfutter kommen. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren. Warum gerade Rehe? Martin Wikelski sagt, dass die Wildtiere nicht so gut erforscht seien wie manche meinen. Ulf Hettich, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Wildökologie an der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft in Trippstadt (Rheinland-Pfalz), fügt an: „Rehe gehören zu den wichtigsten Tieren im Wald, können bei der Waldregeneration eine existenzielle Rolle spielen. Wir wollen mehr über die Wechselbeziehung zwischen den großen Pflanzenfressern und der Waldverjüngung erfahren und dabei die Regulierungswirkung der Jagd untersuchen. Im Rahmen des durch den Klimawandel notwendigen Waldumbaus haben wir ein besonderes Interesse, das Raumnutzungsverhalten von Rehen besser zu verstehen, um waldbauliche und jagdliche Maßnahmen gezielter darauf abstimmen zu können.“

In Echtzeit verfolgbar

Erst wenn die Jungbäume 1,30 Meter hoch seien, werde das Risiko, dass diese durch Knospenverbiss durch Rehe geschädigt werden, kleiner. Schäden durch das Fegen des Geweihs seien dann aber immer noch möglich. „Durch die speziellen, besonders leichten und energiesparenden GPS-Halsbänder können die Aufenthaltsorte besenderter Rehe präzise und nahezu in Echtzeit nachverfolgt werden“, sagt Wissenschaftler Ulf Hettich. Bei dem Projekt würden so genannte Weiserflächen - diese sind mit Zäunen vor Wild geschützt –mit ungeschützte Waldflächen verglichen. Auch die Frage, wie gut der Vergrämungseffekt durch Jagen funktioniert, wie viele Rehe nachziehen, solle beantwortet werden. Denn wie sich eine intensive, lokale Bejagung auf den Nachzug auswirkte, „dazu liegen uns bisher nur wenige Erkenntnisse vor“, bedauert der Forscher.