Die Uni Hohenheim forscht daran, Kunststoffe und Verpackungen nicht mehr aus Erdöl, sondern aus biologischen Abfallprodukten herzustellen. Doch bis die in Supermarktregalen zu finden sind, ist noch ein weiter Weg zu gehen.

Hohenheim - Das EU-Forschungsprojekt MyPack beschäftigt sich mit der Markteinführung innovativer und nachhaltiger Verpackungen, die auf erneuerbaren Rohstoffen basieren. An der Universität Hohenheim sind Markus Götz, Doktorand im Fachgebiet Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe, sowie Susanne Braun und Tetiana Pavlenko aus dem Forschungszentrum für Bioökonomie an dem Projekt beteiligt.

 

Herr Götz, Sie forschen im Zuge von MyPack an der Herstellung von Kunststoffen aus Biomasse. Was genau ist dabei mit Biomasse gemeint?

Götz: Zurzeit verwenden wir hauptsächlich Fructose, um daraus eine Chemikalie für den Kunststoff zu produzieren. Fructose ist aber ein Nahrungsmittel und recht teuer, deshalb wollen wir langfristig auf Abfallstoffe und Nebenprodukte setzen. Dabei ist es relativ egal, welche Biomasse man verwendet – sie muss nur Kohlenhydrate oder Zucker enthalten. Eine Chicorée-Wurzel zum Beispiel enthält Poly-Fructose, die lässt sich sehr gut weiterverarbeiten. Außerdem ist die Wurzel ein Abfallprodukt des Chicorée-Salats, das oft in die Biogasanlage kommt. Wir greifen in diese Wertschöpfungskette ein, machen erst Kunststoff aus der Wurzel, den man recyceln kann, und was dann noch übrig bleibt, kann immer noch zu Energie umgewandelt werden.

Wie wird eine Chicorée-Wurzel zum Kunststoff?

Götz: Die Biomasse, in dem Fall die Chicorée-Wurzel, wird wie in einem riesigen Schnellkochtopf kontinuierlich unter Druck erhitzt und in die Chemikalie HMF umgewandelt. Daraus kann dann PEF hergestellt werden, das ist ein Kunststoff, der PET – den man von Wasserflaschen kennt – sehr ähnlich ist. Wir konzentrieren uns an der Uni speziell auf den Vorgang von der Biomasse zu HMF. Aus Fructose können wir diese Chemikalie mittlerweile relativ günstig und gut herstellen.

Wenn PET und PEF ähnlich sind, was ist dann der Vorteil des PEF?

Götz: Bisher werden die meisten Kunststoffe aus Erdöl hergestellt, PEF ist dagegen biobasiert. Mit PEF können einige Lebensmittel auch länger haltbar gemacht werden, weil durch den Kunststoff nicht so viel Atmosphärenaustausch stattfindet. Außerdem kann man eine PEF-Folie etwa 30 Prozent dünner und leichter machen als PET und hat trotzdem noch die gleichen Eigenschaften wie beim fossilen Konkurrenten. Dadurch wird man am Ende weniger Kunststoff verbrauchen.

Wann könnte man die ersten Produkte in PEF-Verpackung kaufen?

Götz: Das ist immer der schwierige Blick in die Glaskugel. Zurzeit fehlt noch ein bisschen Entwicklung in dem Schritt zwischen HMF und dem fertigen Kunststoff. Man muss auch bedenken, dass wir mit PET mit einem Produkt konkurrieren, das mehr als 60 Jahre Entwicklung hinter sich hat. Bisher hat unser Produkt auch noch einen beigen Stich und ist nicht ganz durchsichtig, das wollen vor allem große Firmen nicht haben. Wir sind aber zuversichtlich, dass die Verpackung in den nächsten drei Jahren in den Regalen zu finden sein wird. Der erste Schritt ist wahrscheinlich, Bioprodukte in Bioverpackungen anzubieten, dann kommt der Salat vom Bauernhof und die Verpackung sozusagen auch.

Frau Braun, Sie beschäftigen sich im Forschungszentrum für Bioökonomie mit den Markteintrittsbarrieren dieser neuartigen Verpackungen. Warum ist es eine Herausforderung, diese an den Markt zu bringen?

Braun: Der höhere Preis dieser Verpackungen ist ein wichtiger Punkt dabei. Insbesondere in Deutschland achten die Verbraucher beim Einkauf von Lebensmitteln sehr auf die Kosten und sind bisher kaum bereit, einen höheren Preis für eine nachhaltige Verpackung zu bezahlen.

Wo setzen Sie an, diese Barrieren zu überwinden?

Braun: Ein Ergebnis der Verbraucherforschung aus dem Projekt zeigt, dass neben der Öffentlichkeitsarbeit eine klare und einfache Information auf den Verpackungen, zum Beispiel durch ein spezielles Nachhaltigkeits-Logo, dazu beitragen könnte, dass die Verbraucher bevorzugt solche Produkte kaufen. Auch über Regulierungen könnte man das eine oder andere beeinflussen. Zum Beispiel wäre es sinnvoll, für bestimmte Produkte kompostierbare Verpackungen vorzuschreiben, die dann zusammen mit den nicht konsumierten Lebensmitteln über die Komposttonnen entsorgt werden könnten.

Pavlenko: Das Thema ist sehr komplex. Es ist wichtig, das ganze Feld vom Verpackungsmittelhersteller über Lebensmittelproduzenten und den Handel bis zum Verbraucher mit einzubeziehen.