Forst BW hilft Bäumen beim Altwerden Pflege für die Riesen im Schurwald

Die Spezialisten aus dem Team der Seilkletterer entfernen das Totholz aus alten Bäumen, damit diese möglichst lange überleben können. Foto:  

Baumveteranen sollen trotz Klimawandel uralt werden können. Forst BW startet ein Pflegeprojekt im Forstbezirk Schurwald und schickt Spezialisten hinauf in die Wipfel.

Region: Corinna Meinke (com)

Eine alte Eiche ist eine Arche Noah des Waldes.“ Dieser Satz stammt von Jürgen Sistermans-Wehmeyer vom Landesbetrieb Forst BW. Moosen, Flechten, Pilzen und Tieren aller Art sowie bis zu 1200 Insektenarten kann eine alte Eiche ein Zuhause bieten. Kein Wunder, dass solche Baumveteranen einen hohen ökologischen Wert haben. Sie sollen uralt werden dürfen – das hat der Landesbetrieb Forst BW, der den baden-württembergischen Staatswald bewirtschaftet, beschlossen.

 

Das tote Holz muss entfernt werden

Weil heiße und trockene Sommer im Zuge des Klimawandels an den Bäumen nagen, brauchen Baumriesen und solche, die es werden sollen, besondere Aufmerksamkeit. Forst BW schickt daher Seilkletterer in die Bäume, um sie schonend zu pflegen. „Wir konzentrieren uns auf Einzelbäume“, beschreibt Sistermans-Wehmeyer die Arbeit. Denn der Fokus liegt auf dem Erhalt landschaftsprägender Bäume, besonders wenn sie im Erholungswald und in exponierten Lagen stehen. Buchen könnten mehr als 150, Eichen sogar älter als 200 Jahre alt werden. Damit das gelingt, werde das Totholz herausgesägt. Solche Entlastungsschnitte sorgten für ein längeres Leben der Veteranen, erklärt der Forstfachmann weiter. Auf diese Weise sollen mehr Baumriesen im Forstbezirk Schurwald sehr alt werden können. Irgendwann einmal müsse man vielleicht nicht mehr nach Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg reisen, um solche Riesenbäume bestaunen zu können.

Das Pilotprojekt Baumpflege im Forstbezirk Schurwald soll ein Jahr lang Daten liefern von Bäumen an Straßen und Wegen. Sie sollen nach Trockenschäden untersucht und bei Bedarf behandelt werden. Besonders in den heißen Jahren 2018 bis 2020 haben viele Bäume Schäden in den Baumkronen und an den Stämmen erlitten.

Auch Bäume bekommen Sonnenbrand

Buchen beispielsweise leiden unter Sonnenbrand, wenn sie in der ersten Reihe stehen, erläutert der Forstfachmann. Bei solchen Bäumen in Randlage platzt die Rinde ab, Pilzsporen können sich festsetzen und den Saftfluss unterbrechen. Das schwächt auch große Exemplare, die letztlich sogar absterben können.

Da die Förster zur Verkehrssicherung verpflichtet sind und für Schäden haften, die herabstürzende Äste oder umgefallene Bäume verursachen, haben die Forstleute überall dort viel zu tun, wo Menschen gefährdet sein könnten. An der Landesstraße 1150 zwischen Winterbach-Engelberg (Rems-Murr-Kreis) und Baltmannsweiler-Hohengehren sind die Arbeiten bereits abgeschlossen, berichtet Sistermans-Wehmeyer, der im Forstbezirk Schurwald für Waldnaturschutz, Waldpädagogik und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

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Schäden an alten Bäumen haben die Forstleute auch verstärkt entlang des Kaisersträßles entdeckt. In dieser Höhenlage des Schurwalds ist es besonders trocken, weil das Wasser schnell abläuft und häufig nur die oberen 30 Zentimeter des Bodens durchfeuchtet sind. Das reiche aber nur für nachwachsende Jungbäume. „Ausgerechnet unsere Hoffnungsbäume Rotbuche und Tanne sind davon betroffen“, bedauert Sistermans-Wehmeyer. Diese wurzeln zwar tiefer als die Fichte. Da sich aber der Grundwasserspiegel abgesenkt habe, gelangten die Wurzeln der Altbäume häufig nicht bis zu den wasserführenden Schichten.

Zum Teil sterben die Wurzeln ab

Im Parkwald in Baltmannsweiler seien ausgerechnet einige prächtige Altbuchen einfach umgefallen, ganz ohne Sturmeinwirkung. Da habe sich gezeigt, dass vom ursprünglichen Wurzelballen nur noch ein Kegelstumpf übrig geblieben sei, der dem Baum keinen Halt mehr im Boden bieten konnte. „So etwas konnten wir uns bis dahin gar nicht vorstellen“, sagt der Forstmann über diese unerfreuliche Entdeckung. Wegen der Trockenheit seien erst die Fein- und danach auch die Hauptwurzeln abgestorben.

Der Parkwald zeichnet sich durch seine zahlreichen starken Bäume aus, die der Forst für die Bevölkerung erhalten will. Dort gebe es viele Wege und entsprechend viele Besucher. Entlang dieser Wege sei Baumpflege angesagt, während alte Bäume im Waldesinnern auch umfallen dürften. Denn beim Verrotten böten sie Unterschlupf für viele weitere Tier-, Pflanzen- und Pilzarten.

Seilkletterer müssen hoch hinauf

Bisher haben vorwiegend spezialisierte Baumpflegefirmen diese zum Teil gefährlichen Arbeiten übernommen. Mit dem Pilotprojekt erhielten die beteiligten Forstwirte jetzt die Möglichkeit, sich in ein spannendes neues Tätigkeitsfeld einzuarbeiten, das hohe Anforderungen an die Fitness stelle. Auch das Image des Berufsbildes soll davon profitieren. Geklärt werden muss noch, wie sich die Arbeit der Seilkletterer wirtschaftlich und personell in die bestehenden Arbeitsabläufe und -strukturen einbinden lässt.

Eine Aufgabe für sportliche und schwindelfreie Forstleute

Ausbildung
 Wer einen Kurs in „Seilklettertechnik A“ absolviert hat, darf Äste nur mit der Handsäge entfernen. Wer 300 Arbeitsstunden innerhalb dieser Kategorie absolviert hat, kann sich weiter qualifizieren und den Kurs in „Seilklettertechnik B“ ablegen. Erst dieser befähigt zur Arbeit mit der Motorsäge im Baum.

Personal
 Im Forstbezirk Schurwald arbeitet momentan ein Spezialteam aus fünf Seilkletterern. Diese werden auf Zuruf eingesetzt, wenn kurzfristige Schäden an Bäumen, beispielsweise nach einem Gewittersturm, zu beseitigen sind. Im Gegensatz zu Privatfirmen sind diese Spezialisten häufig schneller einsetzbar.

Einsatzbereich Das Pilotprojekt Baumpflege konzentriert sich auf den Forstbezirk Schurwald. Dieser umfasst rund 9000 Hektar Staatswald in sechs Forstrevieren in den Kreisen Esslingen, Göppingen, Rems- Murr- und Ostalbkreis. Der Forstbezirk wird von Anton Watzek geleitet, der sein Büro in Göppingen hat.

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