Es war der wärmste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Welche Schäden hat das im Forst hinterlassen? Inge Hormel vom Böblinger Forstamt zieht Bilanz.

Kreis Böblingen - Gefühlt weniger Regen als in Südspanien und mehr Sonne als auf Mallorca – auch im Kreis Böblingen hat der Sommer 2018 Rekorde gebrochen. Es war der wärmste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, dazu das zweite zu trockene Jahr nacheinander. Inge Hormel ist beim Forstamt in Böblingen verantwortlich für den Wald im Norden des Landkreises, also für Leonberg, Sindelfingen, Weil der Stadt, Renningen, Rutesheim, Weissach, Magstadt und Aidlingen. Die Expertin erklärt, warum es den Norden besonders getroffen hat, und warum ihr der Borkenkäfer Bauchschmerzen bereitet.

 

Frau Hormel, welche Schäden hat dieser Rekord-Sommer im Wald hinterlassen?

Die Schäden sind noch nicht ganz absehbar. Nicht nur bei uns im Kreis, sondern landes- und europaweit gab es massive Schäden durch den Borkenkäfer. Wir haben im letzten Jahr alle Spielarten der Klimaerwärmung erlebt: erst verschiedene Stürme und anschließend die extreme Trockenheit und Hitze. Das waren dann ideale Bedingungen für Schädlinge wie den Borkenkäfer.

Haben Sie schon Zahlen vorliegen?

Begonnen hat das Jahr 2018 mit dem Sturm Burglind am 3. Januar. Im Landkreis Böblingen sind dabei Schäden von etwa 13 000 Festmeter Holz entstanden. Durch die Hitze und Trockenheit sind in der Folge im Landkreis – Stand jetzt – nochmals etwa 12 000 Festmeter Schadholz angefallen. Das sind insgesamt 25 000 Festmeter, vor allem Nadelholz.

Was bedeutet dies im Vergleich zu einem normalen Jahr?

Im Landkreis Böblingen werden in einem normalen Jahr zwischen 30 000 und 35 000 Festmeter Nadelholz gefällt. Beim Schadholzanfall lagen wir in der Summe also unter dem, was normalerweise eingeschlagen wird. Der Landkreis ist im Vergleich zu anderen Gegenden in Baden-Württemberg und Deutschland mit einem blauen Auge davon gekommen – sowohl, was Schäden durch den Sturm, als auch durch den Borkenkäfer betrifft.

Fielen die Schäden im Landkreis überall gleich an?

Der nördliche Teil – grob gesagt der ehemalige Kreis Leonberg – ist etwas mehr betroffen. Das liegt daran, dass die Waldbestände dort nadelholzreicher sind, und die Schädlinge wie Buchdrucker und Kupferstecher, infolge des Trockensommers bevorzugt Nadelholz befallen, vor allem die Fichte.

Wie genau hängen Hitze und Trockenheit mit Schädlingen zusammen?

Auch in normalen Jahren sind Borkenkäfer immer latent im Wald vorhanden. Er befällt aber vor allem geschwächte oder umgefallene Bäume. Gesunde Bäume trotzen dem Käfer, indem sie ihn im Harz ertränken. Wenn die Bäume aber, so wie 2018, nicht genügend Wasser haben, können sie ihn nicht ertränken. Und wenn dann noch viel Brutmaterial im Wald liegt und hohe Temperaturen herrschen, findet der Borkenkäfer optimale Lebensbedingungen zur Massenvermehrung.

Das heißt, die Bäume sind nicht vertrocknet, sondern das Problem war der Borkenkäfer?

Richtig. 2018 war es schon seit April richtig warm. Und je wärmer es ist, desto schneller entwickelt sich die Larve zum Käfer. In normalen Jahren entwickelt der Borkenkäfer pro Saison eine, maximal zwei Generationen. 2018 aber wurden drei Generationen ausgebildet – und die Käfer vermehren sich explosionsartig mit jeder Generation.

Wie gehen Sie dagegen vor?

Es gibt bestimmte Merkmale, an denen man erkennt, dass ein Baum vom Borkenkäfer befallen ist. Wir versuchen, dieses Holz zügig aufzuarbeiten und aus dem Wald zu bringen, denn dann ist der Käfer noch nicht so weit entwickelt, dass er den nächsten Baum befällt.

Kann man dieses befallene Holz trotzdem verwenden?

Ja, das vom Käfer befallene Holz ist zunächst normal verwendbar. Allerdings bildet sich als Folge des Käferbefalls oft ein Pilz, der das Holz bläulich verfärbt. Das führt dann zu einer Preisminderung.

Welche Bauchschmerzen hat Ihnen das als Förster bereitet? Sie fällen ja ohnehin regelmäßig Bäume.

Wir bewirtschaften den Wald ja nach festgelegten Plänen, in denen steht, wie und wohin wir die Wälder entwickeln wollen. Wenn Bäume zum Beispiel wegen Sturm oder Schädlingsbefall gefällt werden müssen, dann bezeichnen wir dies als „zufällige Nutzung“. Und zufällige Nutzungen kann man in der Waldbewirtschaftung quasi als Störung sehen. Je mehr zufällige Nutzungen anfallen, desto größer sind natürlich die Auswirkungen. Deshalb stecken wir das Jahr 2018 nicht einfach weg. Dazu kommt, dass zum Beispiel die Sturmwürfe infolge von Burglind sehr aufwendig aufzuarbeiten waren. Die Bäume lagen quer durch den Wald verteilt, meist nur einzeln oder in kleinen Nestern. Und zusätzlich musste zügig aufgearbeitet werden, weil die umgefallenen Bäume optimale Lebensbedingungen für den Borkenkäfer bieten.

Die Fichte ist die Verliererin des Klimawandels

Das Land hat 2018 schließlich einen Einschlagstopp erlassen. Haben Sie sich dem angeschlossen?

Der Einschlagstopp gilt landesweit im Staatswald für Nadelholz und dient der Marktentlastung, weil 2018 durch viel Sturm- und Käferholz gerade bei Fichte und Tanne ein großes Überangebot besteht, das auch ein Verfall des Preises nach sich zieht. Der Landkreis Böblingen hat den Einschlagstopp übernommen, weil auch wir nicht durch ein zusätzliches Angebot den Markt belasten wollen.

Hat dieses Rekordjahr 2018 auch Auswirkungen auf 2019?

Ja. Normalerweise geht der Borkenkäfer in etwa im September in den – salopp gesagt – „Winterschlaf“. Die warme Witterung dauerte bis in den November hinein an, weshalb der Borkenkäfer sich bis dahin auch weiterentwickelte, das heißt, er war bis dahin noch nicht im „Winterschlaf“. Das hat Auswirkungen auf 2019, weil wir eine relativ hohe Ausgangssituation an Käfern haben. Außerdem zeigen die Erfahrungen des Trockenjahres 2003, dass nach extremer Trockenheit im Wald auch in den Folgejahren mit Schäden zu rechnen ist

Wie wappnen Sie sich dagegen ?

Gegen die Witterung – und diese wird auch 2019 eine bedeutende Rolle spielen – können wir nichts machen. Wir hoffen jetzt erst einmal auf einen kalten Winter und im Sommer dann auf keine so heißen Temperaturen und mehr Niederschlag. Unsere Förster und die Forstwirte kontrollieren laufend den Wald. Befallene Bäume werden umgehend gefällt und entrindet, um durch rechtzeitige Entnahme die Entwicklung des Käfers zu unterbinden und damit einer weiteren Vermehrung des Käfers entgegenzuwirken.

Müssen Sie die Bäume jetzt ersetzen?

Das hängt von der Größe der entstandenen Lücke ab, davon, ob bereits Naturverjüngung vorhanden ist und auch davon, ob wir noch mit weiterem Befall rechnen. Bis wir Bäume nachpflanzen, warten wir in der Regel noch ein, zwei Jahre, bis wir die Situation besser einschätzen können.

Und was pflanzen Sie dann? Gibt es Sorten, die mit Hitze und Trockenheit besser umgehen können?

Das ist eine große Frage, die in der Forstwissenschaft derzeit diskutiert wird. Der Klimawandel stellt uns hier vor große Herausforderungen. Und mit dem, was wir heute pflanzen, müssen wir und unsere Nachfolger in den nächsten 100 bis 200 Jahren arbeiten. Man kann so viel schon sagen: Die Fichte gilt als die Verliererin des Klimawandels. Beim Nadelholz bietet sich als Alternative die Douglasie an, die deutlich wärme- und trockenresistenter ist. Im Kreis Böblingen sind wir im natürlichen Verbreitungsgebiet von Buchen und Eichen. Und auch die Eiche gilt als wärme- und trockenresistent.

Wie können Sie noch reagieren?

Wir verfolgen in der Forstwirtschaft schon seit Jahrzehnten das sogenannte Prinzip der naturnahen Waldwirtschaft. Ein Ziel ist hier die Erziehung von Mischbeständen. Denn mit der Durchmischung verschiedener Baumarten sind wir flexibler aufgestellt und die Bestände auch weniger anfällig gegenüber Schadereignissen und damit stabiler.

Sind Sie im Kreis Böblingen mit der Durchmischung schon zufrieden?

Seit mehr als 40 Jahren wird in Baden-Württemberg und auch im Landkreis Böblingen an der Durchmischung der Bestände gearbeitet. Förster denken und arbeiten ja in Zeiträumen von 100 bis 200 Jahren und mehr – und da braucht man Geduld, bis dieses Ziel erreicht ist. Wir sind auf einem guten Weg.

Welche Auswirkungen hat das Rekordjahr 2018 auf das Geld? Zum Beispiel in Weil der Stadt rechnen Sie ja damit, dass der städtische Zuschuss von 72 000 Euro im Jahr 2018 auf 93 750 Euro in 2019 steigen wird.

Die Verschlechterung der Finanzlage im Wald im Jahr 2019, die sich in den Haushaltsplänen widerspiegelt, ist kein spezielles Weil der Städter Problem, sondern liegt am Preisverfall des Nadelholzes – bedingt durch die landes- und bundesweiten Schadholzmengen. Im Wald wird der Großteil der Einnahmen aus dem Verkauf des Holzes erzielt. Waldbesitzer mit anteilig mehr Nadelholz wie zum Beispiel Weil der Stadt sind deshalb stärker betroffen als andere Städte und Gemeinden.

Wie sieht das anderswo aus?

Es gibt Gemeinden, die im Plan für 2019 in etwa eine schwarze Null erreichen, im Revierbezirk Nord, für den ich zuständig bin, zum Beispiel Magstadt oder Aidlingen. Die Zusammensetzung der Baumarten spielt bei den Einnahmen eine große Rolle. Derzeit ist zum Beispiel die Eiche am Markt stark nachgefragt. Waldbesitzer mit einem hohen Eichenanteil sind daher zurzeit auf der Einnahmenseite besser aufgestellt.

Das Gespräch führte Florian Mader.