Mehrere Aktivisten haben am Samstag an der Forststraße in Stuttgart ein leerstehendes Mehrfamilienhaus besetzt. Unter anderem trugen sie Getränkekästen und Biertisch-Garnituren ins Haus.

Stuttgart - Im Anschluss an eine Kundgebung gegen sogenannte Luxussanierungen haben Aktivisten am Samstag ein leer stehendes Mehrfamilienhaus an der Forststraße 140 besetzt. Dutzende Teilnehmer der Demo nahmen die Wohnungen in Augenschein, darunter auch einige Familien mit Kindern.

 

Unter den neugierigen Blicken vieler Anwohner schafften Aktivisten Getränke und Biertisch-Garnituren herbei, trugen Kisten mit Küchenutensilien und Lebensmitteln wie Kaffeepulver, Teebeutel und Äpfel ins Haus. Sie entrollten Transparente und klebten Zettel an die Hauswand: „Leerstand – die Stadt schaut zu“, stand auf einem geschrieben, „Wohnraum statt Kapitalismus“ auf einem anderen.

Auf Anfrage erklärten die Aktivisten die Absicht, das Haus dauerhaft besetzen zu wollen. Es handle sich um keine symbolische Aktion. Wer der Besitzer des Hauses ist, sei ihnen nicht bekannt. Die Polizei kam und beobachtete das Treiben. „So lange alles ruhig verläuft, greifen wir nicht ein“, bekundete eine Beamtin.

Miete soll um bis zu 136 Prozent steigen

Der Aktion war eine Mieterdemo an der Forststraße 168 mit weit mehr als 100 Teilnehmern vorausgegangen, zu der das Aktionsbündnis Recht auf Wohnen aufgerufen hatte. Sie richtete sich gegen die Pläne des Hauseigentümers, der Schwäbischen Bauwerk GmbH. Die Immobiliengesellschaft will das Haus modernisieren, „luxussanieren“, wie Kritiker sagen.

Die dadurch entstehenden Kosten bekommen die Mieter zu spüren. Bis zu 136 Prozent soll die Miete zum Beispiel im Fall der Krankenschwester Tanja Klauke nach der Modernisierung betragen. Klauke wohnt seit 15 Jahren in der Forststraße, wird sich die neue Miete – 1115 statt bislang 468 Euro – bald aber nicht mehr leisten können.

„Obszönes Geschäftsmodell“

„Der Vermieter setzt die Menschen bewusst auf die Straße“, sagte Klauke bei der Kundgebung. Die Schwäbische Bauwerk GmbH verkaufe sich als Familienunternehmen, propagiere Werte wie Respekt, Verantwortungsbewusstsein und soziales Engagement. „Besseres soziales Engagement wäre es, wenn die Menschen in ihren Wohnungen bleiben könnten“, so Klauke.

Der Stadtrat Tom Adler (Die Linke) geißelte das Gebaren des Vermieters als „obszönes Geschäftsmodell“: Modernisierungen seien ein „Hebel zum Austausch von Mietern“. Weil die Stadt nicht ansatzweise genügend Sozialwohnungen bereitstelle, gelte in Stuttgart längst das Motto „Arbeiten, um zu mieten“, statt „Arbeiten, um zu leben“, sagte Tom Adler.

Das Aktionsbündnis hatte am Samstag bereits zum Fest in das Haus eingeladen. Am Sonntag wurden Brunch und Kaffee und Kuchen gereicht. Die Aktivisten hoffen, dass das Haus wieder auf den Markt komme, sagte Paul von Pokrzywnicki, der Sprecher des Aktionsbündnisses Recht auf Wohnen. Einen Überblick über die genaue Anzahl der Einheiten in dem Wohnhaus wollten sich die Besetzer erst noch verschaffen, berichtete er. Vor allem die Bewohner des Hauses an der Forststraße 168 würden hoffen, dass dort bezahlbarer Wohnraum entstehen könnte.

Eine ähnliche Aktion war in Stuttgart vergangenes Frühjahr gelaufen. Zwei leer stehende Wohnungen an der Wilhelm-Raabe-Straße wurden besetzt. Der Eigentümer ließ die Wohnungen nach vier Wochen räumen.