„Auch der Olymp ist öde ohne Liebe.“ Klar und nachvollziehbar hat Karin Eppler Kleists „Amphitryon“ im Stuttgarter Forum-Theater mit sicherer Hand in einem ruhigen Tempo inszeniert.

Stuttgart - Vier große Wände, die wie abstrakte Gemälde bemalt sind, drehen sich im Forum-Theater um Achsen, die von der Bühne zur Decke gehen. So werden immer wieder neue Raumvarianten geschaffen (Ausstattung: Birgit Holzwarth). Mehr bedarf es an Bühnengestaltung nicht, denn Kleists Komödie „Amphitryon“, die jetzt Premiere hatte, lebt von ihrer Sprache und den gewaltigen Spannungen zwischen sechs Personen, zwei davon sind als Gott beziehungsweise Götterbote tätig, dadurch entstehen Probleme.

 

Der thebanische Feldherr Amphitryon kehrt als siegreicher Feldherr zu seiner Frau Alkmene (Schirin Brendel) zurück. Vorher aber besteigt Chefgott Jupiter (stets selbstgewiss grinsend: Michael Ransburg) in der Gestalt Amphitryons das Ehebett des Paares und beschert Alkmene eine fulminante Liebesnacht. Seine spätere Begründung: „Auch der Olymp ist öde ohne Liebe.“ Als der reale Gatte auftaucht, erfährt er, dass er schon in der Nacht dagewesen sein soll. Damit beginnt ein irrwitziges Verwirrspiel, das amüsant und von bewegender Ernsthaftigkeit zugleich ist.

Psychologisch interessant und überraschend modern

Jupiter wird begleitet von Merkur (kalt-diabolisch: Jens Woggon). Dieser wiederum gibt sich als Sosias, Amphitryons Diener, aus. Sosias’ Frau Charis (selbstbewusst: Martina Guse) ist enttäuscht, dass der falsche Sosias sie nicht begehrt. Der echte Sosias, den Martin König berührend als aufrichtigen, aber ständig gedemütigten Menschen spielt, kann nicht begreifen, dass er nicht Sosias sein soll. Identität funktioniert nur, wenn sie auch von anderen anerkannt wird.

Kleists Komödie ist reine Fiktion, realistisch ist da nichts, aber psychologisch interessant und überraschend modern. Alkmene, befragt, wen sie vorziehe, Gott oder Gatten, entscheidet sich für Jupiter, also für den „Gatten plus“, eine Idealversion des realen Amphitryons. Wer bin ich und was heißt das genau, und warum liebe ich eine Person? Solche Fragen sind in Kleists Stück, verborgen. Udo Rau spielt den Amphitryon richtig spannend als ganz von der Absurdität seiner Identitätszerstörung Überwältigten.

Kleists Sprache beginnt zu leuchten

Reines, wundervoll bildhaftes Theater ist Kleists Stück. Es ist nicht illusionistisch angelegt, sondern als kühle Versuchsanordnung, denn Jupiter und Amphitryon, für die Zuschauer deutlich als verschiedene Schauspieler erkennbar, sehen für die Figuren des Stücks absolut gleich aus. Klar und nachvollziehbar hat Karin Eppler Kleists Stück mit sicherer Hand in einem ruhigen Tempo inszeniert. Und die Akteure lassen Kleists zweihundert Jahre alte Sprache leuchten, die ganz problemlos funktioniert, locker-fließend gesprochen wird.

Nächste Aufführungen am 18. und 19. sowie am 25. bis 28. Oktober