Die Facebook-Tochter Instagram steht in der Kritik. Einige User beschweren sich, dass ihre Bilder nicht mehr sichtbar sind, andere werden wegen Schleichwerbung abgemahnt. Und eine Bloggerin hat das Thema gekaufte Abonnenten publik gemacht.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Die Mail klingt verlockend: Die Firma Realfollows bietet 10 000 neue Instagram-Abonnenten für 150 Dollar an. Wer für sein neuestes Selfie im Sonnenuntergang schnell noch ein paar mehr Likes braucht, ist sogar noch günstiger dran. Der Anbieter Follower 24 aus dem mondänen Salzhemmendorf preist 1000 Likes für einmalig 14,99 Euro an.

 

14,99 Euro können beim Fotonetzwerk Instagram, dessen weltweite Mitgliederzahl seit Januar 2017 von 500 auf 700 Millionen Nutzer gestiegen ist, gut investiertes Geld sein. Laut dem Modemagazin „Stylebook“ verdienen Instagrammer mit 100 000 Followern bis zu 800 Euro pro Foto, ab einer Million Abonnenten sollen es bis zu 15 000 Euro pro Bild sein. Laut einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verdienen internationale Instagram-Sternchen wie Kim Kardashian bis zu 500 000 Dollar – pro Post.

Die Bloggerin Vreni Frost löschte ihre gekauften Follower wieder

Um Reichweite zu generieren, kaufen Instagrammer falsche Follower. „Es war ein offenes Geheimnis, dass jeder Abonnenten und Likes kauft“, sagt die Bloggerin Vreni Frost. Die Berlinerin hat selbst bezahlt, um ihre Reichweite zu erhöhen. „Ich hatte Angst, nicht mehr mithalten zu können.“ Frost wagte schließlich einen mutigen Schritt: Sie löschte ihre gekauften Abonnenten und machte das durch zahlreiche Artikel auf ihrem Blog „Neverever.me“ publik. „Ich habe vier Tage gelöscht. Nonstop.“ So reduzierte Frost ihre Abonnentenzahl von 75 000 auf 64 500 – und bekam für den öffentlichen Löschprozess viel Beifall.

Mit gekauften Abonnenten soll Reichweite generiert werden

Anscheinend wünschen sich viele Nutzer ein transparenteres Instagram, ohne Accounts, die durch Zukäufe eine größere Reichweite suggerieren. Frost hat ein Umdenken bei ihren Kollegen auf Instagram beobachtet: „Die Leute werden vorsichtiger: In letzter Zeit habe ich keine krassen Sprünge mehr beobachtet. Mittlerweile verlangen Marken auch Screenshots von den Statistiken, damit sie sehen können, ob die Instagram-Story wirklich von 4000 und nicht doch nur von 1000 Leuten gesehen wurde.“

Der Stuttgarter Rechtsanwalt Carsten Ulbricht, Spezialist für Internet- und Social-Media-Recht, hat sich ebenfalls mit dem Phänomen der „Fake-Follower“ beschäftigt. „Es liegt nahe, dass mit gekauften Followern gearbeitet wird, schließlich geht es am Ende um Reichweite. Je größer die Reichweite, desto besser die Bezahlung“, so Ulbricht. Er selbst hat derzeit aber noch in einem ganz anderen Bereich mit Instagram zu tun. Seit Kurzem werden Instagrammer in Deutschland abgemahnt, wenn sie ihre Werbung nicht sauber gekennzeichnet haben.

Kritik an der unzureichenden Kennzeichnung von Werbung

Die unschöne Vermischung von unverfänglichen redaktionellen Inhalten und Werbung wurde bei Instagram schon lange kritisiert. Die kurzweilige Facebook-Seite „Perlen des Influencer-Marketings“ weist gerne auf besonders abstruse Fälle von werblichen Instagram-Posts hin. Da verwundert es eher, dass nicht schon früher abgemahnt wurde. „Die Werbeindustrie hat sich gefreut, weil Werbung auf Instagram eher unauffällig daherkam“, sagt ein Kenner der Materie.

Instagram hat auf die Vorwürfe reagiert und führt eine Kennzeichnung mit dem Titel „Bezahlte Partnerschaft“ ein. Dieser Hinweis befindet sich in der Testphase. In Deutschland gibt es bisher einen Instagrammer, der die Möglichkeit testet.

Manche Instagrammer rutschen ohne eigene Schuld in den Spam-Filter

Der Jurist Carsten Ulbricht vertritt derzeit eine Instagrammerin aus Stuttgart, die ihre Werbung mit dem Hashtag „ad“ für „advertisement“, also Werbung, gekennzeichnet hatte und dennoch abgemahnt wurde. „Ob #ad zur Kennzeichnung von Werbung ausreicht, wurde gerichtlich noch nicht geklärt. Unser Fall wird bald vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt. Das könnte ein Präzedenzfall werden“, so Carsten Ulbricht.

Der Stuttgarter Fotograf Sven Baum muss sich keine Sorgen machen, dass er wegen nicht gekennzeichneter Werbung abgemahnt wird. Er macht keine Reklame, sondern lässt seine feinen Bilder sprechen. Allerdings waren viele seiner Fotos kürzlich plötzlich nicht mehr sichtbar. Baum vermutet, dass er unter einem sogenannten Shadow-Ban litt, bei dem Fotos nicht mehr angezeigt werden, obwohl sie unter einem gängigen Hashtag verschlagwortet wurden. „Ich habe mich gewundert, dass ich keine Likes mehr bekommen habe, obwohl mein Account davor konstant gewachsen ist“, erzählt Baum.

Immer mehr User auf der ganzen Welt berichten über eine massiv eingeschränkte Sichtbarkeit ihrer Beiträge. Baum: „Einer befreundeten Fotografin aus Chicago ging es genauso wie mir.“ Instagram sagt auf Nachfrage dieser Zeitung, dass es keinen Shadow-Ban gibt. Es könne höchstens passieren, dass man in den Spamfilter rutsche, wenn man zu viele Hashtags verwende. Baum ließ seinen in zwei Jahren mühsam aufgebauten Account ruhen und gründete einen neuen. „Spaß macht das aber keinen mehr“, sagt er. Auch weil er auf seine Beschwerden von Instagram nie eine Antwort erhalten habe.