Er ist der Fotograf und Chronist der Apartheid: Jürgen Schadeberg gehörte zu den engsten Freunden Nelson Mandelas. Vom neuen Südafrika aber ist er enttäuscht. Der StZ-Autor Martin Eich hat den Künstler getroffen.

Stuttgart - Als Nelson Mandela nach 28 Jahren im Gefängnis sein erstes Silvesterfest in Freiheit verbrachte, war auch ein Fotograf eingeladen, der ebenso durch seine Hautfarbe wie durch seinen deutschen Akzent auffiel: Jürgen Schadeberg steht im gleichen Maße für die Abbildung des Apartheidregimes wie Mandela für dessen Überwindung. Seine Aufnahmen, von denen eine Auswahl derzeit in Darmstadt gezeigt wird, sind ins kollektive Gedächtnis eingegangen, weil sie ein Schlaglicht auf die Geschichte werfen, sie komprimieren, ohne zu verkürzen.

 

An diesem Silvester 1990 lag es bereits vier Jahrzehnte zurück, dass der heute 83-Jährige den im vergangenen Jahr verstorbenen Friedensnobelpreisträger zum ersten Mal traf. Dabei hatte es den gebürtigen Berliner zufällig nach Südafrika verschlagen. „Eigentlich wollte ich nach New York. Wegen der Magazine ‚Life‘ und ‚Look‘ zog das alle Fotografen an.“ Noch während der Blockade verließ er 1949 die Stadt, um dann, nach einem einjährigen Intermezzo in Hamburg, am Kap zu landen, wohin seine Mutter ausgewandert war.

„Das sind doch nur Schwarze!“

Es war eine Reise von der geografischen in die mentale Enge – und in die Unwissenheit: „Ich hatte keine Ahnung, wo ich hinkomme.“ Was sich schnell ändern sollte, als ihn kurz nach der Ankunft Freunde einluden, ihre Asbestmine zu besichtigen. Schockiert über die Verhältnisse unter Tage, ging er in die Krankenhäuser, wo die Lungenkranken dahinvegetierten, fing mit der Kamera den Alltag der Arbeiter ein, um dann einer Johannesburger Zeitung seine Fotos anzubieten. „Die haben mich ausgelacht. Das seien doch nur Schwarze.“ Agenturen in Deutschland und England schickte er seine Aufnahmen, sie antworteten nicht einmal. Dennoch hatte er sein Sujet gefunden, dokumentierte von da an die fortschreitende Verdüsterung im Leben der Schwarzen, den Rassismus im Gewöhnlichen. Dabei denunzieren seine Fotos nicht ihre Motive. Als die südafrikanische Polizei 1959 gewaltsam die letzten Bewohner aus dem Johannesburger Stadtteil Sophiatown – wo Afrikaner, Inder, Schwarze und Weiße friedlich zusammenlebten – vertrieb und die Gebäude niederwalzen ließ, entstand eine seiner wirkmächtigsten Aufnahmen: Zwei Frauen sitzen vor den Ruinen ihres Hauses und warten auf den Lastwagen, der sie in die Ungewissheit bringen soll. Veröffentlicht wurde das Foto außerhalb Südafrikas nicht. Drei Filme schickte er an eine Agentur in London, nur um erneut auf Unverständnis zu stoßen. „Was damals geschah, hat niemanden in Europa interessiert.“