Der Verband Region Stuttgart hat in und um Stuttgart 133 Quadratkilometer Freiflächen im Blick, auf denen grundsätzlich Photovoltaikanlagen möglich wären. Allerdings müssen die Kommunen mitziehen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Die Frage ist wichtig, aber noch ungeklärt. Müssen die Regionalverbände im Land – wie es die grün-schwarze Landesregierung im Klimaschutzgesetz plant – insgesamt nur zwei Prozent ihrer jeweiligen Fläche für Photovoltaik- und Windkraftanlagen ausweisen? Oder müssen sie, wie es das Bundeswirtschaftsministerium in seinem „Osterpaket“ angekündigt hat, jeweils zwei Prozent sowohl für Photovoltaik als auch für Windkraft bereitstellen?

 

Ungeachtet dieser zentralen Entscheidung laufen die Vorbereitungen für die Energiewende auf allen politischen Ebenen auf Hochtouren. Schließlich soll Strom bis 2035 nahezu vollständig aus erneuerbaren Energiequellen bezogen werden.

Suche nach einheitlichen Kriterien

Damit es bei diesen Planungen zwischen Kommunen, Landkreisen und dem für die Regionalplanung zuständigen Verband Region Stuttgart (VRS) nicht zu unnötigen Verzögerungen, Missverständnissen und Unstimmigkeiten kommt, hat der VRS nun einheitliche Kriterien vorgeschlagen, wie in der Region Stuttgart Flächen für Photovoltaikanlagen gesichert und schließlich auch ausgewiesen werden sollen.

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Dabei, sagt Thomas Kiwitt, der Chefplaner der Region, haben bei der Photovoltaik die Kommunen immenses Mitspracherecht: „Bei Freiflächen-Photovoltaik handelt es sich um bauliche Anlagen“, erläuterte Kiwitt im Planungsausschuss der Regionalversammlung: „Dafür müssen die Kommunen Bebauungspläne aufstellen und den Flächennutzungsplan ändern.“ Es gebe aber, das habe eine Untersuchung gezeigt, in der Region 133 Quadratkilometer Freiflächen, auf denen grundsätzlich Photovoltaikanlagen ohne Änderung des Regionalplans möglich wären. Das sind 3,7 Prozent der Gesamtfläche der Region. Der neue Regionaldirektor Alexander Lahl formuliert es so: „Die Freiflächen sind da. Eigentlich können wir durchstarten.“ Grundsätzlich soll es bei der Prüfung möglicher Standorte keine Denkverbote geben. Weil es sich aber bei Freiflächen-Photovoltaikanlagen oft um große, weithin sichtbare Bauwerke handelt, soll der Bau vorrangig auf „Standorte mit substanzieller baulicher Vorprägung“ beschränkt bleiben.

3,7 Prozent der Fläche sind geeignet

Auch an vierspurigen Bundesstraßen darf Solartechnik entstehen

Als baulich-technische Vorprägungen gelten Autobahnen, mehrspurige Bundesstraßen, Schienentrassen, Deponien sowie Kraft- und Umspannwerke. Angelehnt an europäische Vorschläge ist dabei ein Bereich jeweils 200 Meter beidseits der jeweiligen Trassen und 200 Meter rund um Deponien und Kraftwerke definiert. Ausgenommen sind reine S-Bahn-Strecken wie die S 60, Lokalbahnen wie die Wieslaufbahn, Freizeit- und Museumsbahnen und stillgelegte Trassen. Hinzu kommen aber Konversionsflächen, also ehemals wirtschaftlich, verkehrlich, wohnungsbaulich oder militärisch genutzte Flächen. Klar definierte Tabuzonen, in denen PV-Anlagen grundsätzlich ausgeschlossen sein sollen, sind Naturschutzgebiete, Naturdenkmäler und geschützte Biotope sowie Wasserschutzgebiete und Gewässerrandstreifen. Auch in der Kernzone des Biosphärengebiets Schwäbische Alb soll es keine Freiflächen-PV-Anlagen geben.

Grünzäsuren werden ausgespart

Für die weitere Planung schlägt der VRS vor, zusätzliche Kriterien für die Beurteilung der Eignung von vorgeschlagenen Flächen heranzuziehen. So hält der VRS Grünzäsuren, also ausgewiesene Flächen, mit deren Hilfe das Zusammenwachsen von Ortschaften verhindert werden soll, für ungeeignet. Auch Flächen mit „sehr hoher Landschaftsbildqualität“ kommen als PV-Standorte nicht infrage. Darunter versteht der VRS „herausragende und bisher nicht technisch überprägte Landschaften, etwa entlang des Albtraufs sowie die Höhenzüge von Schurwald und Welzheimer Wald“.

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Auch Waldflächen sollen nur in absoluten Ausnahmen in die Liste potenzieller Standorte aufgenommen werden. Dafür scheiden nicht automatisch Kommunen, die ausschließlich über beste Ackerböden verfügen, aus dem Wettbewerb aus. Hier könne über den Einsatz von sogenannten Agri-PV-Anlagen nachgedacht werden, die landwirtschaftliches Arbeiten auch in Photovoltaikgebieten ermöglichen.

Zunächst wird der VRS nun auf alle Gemeinden in der Region Stuttgart zugehen und deren aktuelle Planungen und Überlegungen zur Schaffung von Solarparks abfragen. Dabei will man die Kommunen auf eventuell bereits erkennbare Zielkonflikte mit der Regionalplanung aufmerksam machen. Gleichzeitig definiert der Verband jene Landmarken, die von PV-Anlagen freigehalten werden sollen.

Was versteht man unter Freiflächen-Photovoltaik?

Grundsätzliches
Freiflächen-Photovoltaikanlagen (FFPV) liegen außerhalb bebauter Siedlungen auf freien Flächen. Sie sind also nicht auf Dächern oder an Fassaden montiert. Mittlerweile gibt es verschiedene FFPV-Typen. Klassisch ist die Variante, bei der es aufgeständerte, fest montierte Panele gibt. Schon weiterentwickelt sind jene Anlagen, bei denen die Module oder Modulgruppen dem Sonnenstand folgen.

Landwirtschaft
Um den Konflikt bei der Nutzung der Flächen mit der Landwirtschaft so gering wie möglich zu halten, gibt es weitere Alternativen. Agri-PV-Anlagen sind so aufgeständert, dass landwirtschaftliche Maschinen unter ihnen durchfahren können. Auch gibt es die Variante mit senkrecht montierten Panelen, zwischen denen die Flächen landwirtschaftlich genutzt werden können.

Pro Hektar FFPV können etwa 200 bis 300 Haushalte mit Strom versorgt werden.