In Stuttgart sind mittlerweile 1114 Fotovoltaikanlagen installiert. Die Nachfrage nach geeigneten Dächern ist groß.

Stuttgart - Auf dem Dach der Rathausgarage an der Eichstraße arbeitet eine höchst zuverlässige Mitarbeiterin der Stadt. "Die dort installierte Fotovoltaikanlage erzeugt seit fast 20 Jahren Strom", sagt Jürgen Görres, der Leiter der Abteilung Energiewirtschaft im Umweltamt. Mit zwei weiteren "Oldies" auf dem Dach des Filderhofs in Vaihingen und der Kfz-Zulassungsstelle im Norden betreibt die Stadt bis heute drei abgasfreie Sonnenkraftwerke. Außerdem stehen Siliziummodule von 16 privaten Investoren und sechs Schulvereinen auf städtischen Gebäuden. Die 25 Fotovoltaikanlagen "ernten" im Schnitt jährlich 690.000 Kilowattstunden Strom direkt von der Sonne - genug, um 200 Vier-Personen-Haushalte zu versorgen.

Diese noch recht bescheidene Bilanz dürfte sich rasch ändern. Denn immer mehr private Investoren wollen der Stadt aufs Dach steigen. Schließlich gibt es für Anlagen, die dieses Jahr errichtet werden, 39 Cent für jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde. "Die Nachfrage nach geeigneten Dächern ist deshalb trotz der gesunkenen Einspeisevergütung rege", erklärt Görres. Die auf 20 Jahre garantierte Vergütung sei weiter attraktiv, weil die Preise für die Module stark gesunken seien.

Die begehrten städtischen Plätze an der Sonne gibt es aber nicht mehr umsonst. Vor Ostern hat der Gemeinderat ein Nutzungskonzept verabschiedet. Dieses sieht vor, "schlüsselfertige" Dächer über die Dachsolarbörse der Wirtschaftsregion Stuttgart im Internet gegen einen "bundesweit üblichen Obolus" anzubieten.

Die Stadt setzt auf die Sonne


Daneben will die Stadt ihre Dächer künftig auch stärker selbst nutzen. Noch in diesem Jahr entstehen auf drei Schulen drei neue Sonnenstromkraftwerke für 1,3 Millionen Euro. Das größte mit 1000 Quadratmeter Modulfläche wird auf der Jörg-Ratgeb-Schule in Neugereut errichtet. "Die Kosten von 585.000 Euro amortisieren sich in knapp zwölf Jahren", so Görres. Auch bei fünf anstehenden Schuldachsanierungen setzt die Stadt auf die Sonne: Mit 1,6 Millionen Euro soll der städtische Kraftwerkspark um weitere 4000 Quadratmeter erweitert werden. "Fotovoltaikanlagen sind ideal, um in einer Großstadt ohne Umweltprobleme direkt im Haus Strom zu erzeugen", betont Görres. Die Erlöse der Stadt flössen in den Energiespartopf, um daraus Modernisierungen zu bezahlen. "Energetische Sanierungen finanzieren sich so zum Teil selbst", so der Fachmann.

Auch immer mehr Bürger engagieren sich für eine umweltgerechte Stromversorgung. So profitieren die rund 250 Mitglieder der bereits im Sommer 2009 gegründeten Bürgerenergie Stuttgart (BE) von der Sonne: Nach der ersten Anlage auf der Filderschule in Degerloch wird die Genossenschaft voraussichtlich im Mai das zweite Kraftwerk auf dem Otto-Riethmüller-Waldheim in Münster in Betrieb nehmen.

1991 ging die erste Anlage ans Netz


Die Stuttgarter Hausbesitzer wollen ebenfalls nicht länger im Schatten stehen. Der Haus- und Grundbesitzerverein hat Ende März mit dem TV Cannstatt die "Bürger-Energiegenossenschaft Solar Stuttgart" gegründet. "Das Interesse unserer 19.000 Mitglieder an den erneuerbaren Energien ist groß", sagt der Haus-&-Grund-Geschäftsführer Ulrich Wecker. Auch für Stuttgarts viertgrößten Sportverein rechnet sich das Geschäft. "Die Einspeisevergütung hat bereits im ersten Jahr die Finanzierungskosten unserer Anlage gedeckt", sagt der TVC-Vorsitzende Roland Schmid.

Die EnBW Regional AG stand dem Verein nach eigenen Angaben als erfahrener Netzbetreiber beratend zur Seite. "Wir fördern die Gründung von Bürgergenossenschaften für erneuerbare Energien", erläutert der Pressesprecher Jürgen Kaupp. Der Konzern speist jede Kilowattstunde Sonnenstrom, die in Stuttgart erzeugt wird, ins große Netz ein. Die Anfänge waren höchst bescheiden - 1991 ging die erste Anlage mit einer Leistung von 2,3 Kilowatt ans Netz. Erst von 2001 an schnellte die Zahl der Sonnenkraftwerke deutlich nach oben. "Bis heute im April 2010 sind in Stuttgart 1114 Fotovoltaikanlagen installiert, die 2150 Vier-Personen-Haushalte mit Strom versorgen können", erläutert Kaupp. Den weitaus größten Teil bildeten private Anlagen mit einer Leistung unter 30 Kilowatt.

Für das Daimler-Motorenwerk in Bad Cannstatt gelten andere Dimensionen: Auf dem Dach produzieren 5000 Quadratmeter Solarzellen im Jahr 350.000 Kilowattstunden - genug für 100 Haushalte. Doch der Sonnenstrom mit Stern fließt ins Firmennetz und weckt unter anderem bei Elektroggabelstaplern neue Kräfte.