Fälschungen sind inzwischen oft besser als die Wirklichkeit, meint unser Kolumnist Werner Ludwig.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Kürzlich wurde bekannt, dass das Weiße Haus ein mutmaßlich manipuliertes Video in Umlauf gebracht hat – mit dem Ziel, einen Journalisten zu diskreditieren, der Donald Trump kritische Fragen stellte. Die weltweite Aufregung über den Vorgang war groß – unverständlicherweise. Denn das angespannte Verhältnis des US-Präsidenten und seiner Entourage zur Realität sollte inzwischen hinlänglich bekannt sein. Natürlich ist es absurd, dass ein Mann, der eine Unwahrheit nach der anderen in die Welt setzt, seriösen Medien die Verbreitung von Fake-News vorwirft. Aber solche Widersprüche sind gar nicht so selten. „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche“, analysierte der Satiriker F. W. Bernstein zutreffenderweise in einem seiner Reime.

 

Bildfälschungen waren lange vor dem Anbruch des Digitalzeitalters gang und gäbe. So bemühten sich schon viele alte Meister, die von ihnen porträtierten Personen auf Gemälden besser aussehen zu lassen als in Wirklichkeit – ganz ohne Photoshop. Nach der Erfindung der Fotografie ging man dann mit Schere, Klebstoff und Tusche zu Werke, um Bilder gemäß den eigenen Vorstellungen zu optimieren. Legendär ist zum Beispiel ein Foto, das Lenin bei einer Rede auf dem Moskauer Swerdlow-Platz zeigt. Seine beiden Mitstreiter Lev Kamenew und Leo Trotzki, die danebenstanden, wurden kurzerhand wegretuschiert, nachdem sie in Ungnade gefallen waren. Manche politisch motivierten Fälschungen wurden so dilettantisch ausgeführt, dass sie sofort als solche zu erkennen waren. So übersahen die Retuscheure beim Herausschneiden missliebiger Personen schon mal deren Schuhe, die dann etwas verloren am unteren Bildrand standen.

Alter Ego im Weißen Haus

So etwas kann heute nicht mehr passieren. Stehende wie bewegte Bilder sowie Tonaufzeichnungen lassen sich mit entsprechender Software so perfide manipulieren, dass selbst Fachleute Mühe haben, Manipulationen zu erkennen. Entsprechend gering ist die Beweiskraft solcher Dokumente. Inzwischen kann man einem Filmdouble jedes beliebige Gesicht verpassen – etwa das eines bekannten Schauspielers oder Politikers. Auch Mimik und Sprache lassen sich naturgetreu nachbilden und nach Belieben fernsteuern. Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass Donald Trump manchmal erstaunlich versöhnliche Töne von sich gibt und dabei sogar nett dreinschaut? Bislang gingen wir davon aus, dass es sich dabei um Ausnahmen handelt, die die Regel bestätigen. Dahinter könnten aber auch Versuche stecken, den Präsidenten durch Bild- und Tonbearbeitung sympathischer erscheinen zu lassen. Allerdings werden entsprechende Versuche bislang immer wieder durch Auftritte des realen Donald Trump konterkariert. Wir könnten uns deshalb gut vorstellen, dass im Weißen Haus bereits eine Task-Force daran arbeitet, den Reality-TV-Star mithilfe russischer Hacker komplett durch ein digitales Alter Ego zu ersetzen. Ein alter Ego ist Trump ja ohnehin schon.

Auf Bildoptimierung setzen auch Handygiganten wie Apple und Samsung. Aufnahmen von deren Smartphone-Kameras lassen Landschaften und Personen so perfekt aussehen, dass die Wirklichkeit im Vergleich dazu wie eine schlechte Kopie wirkt. Früher musste man sich die Welt noch schöntrinken, heute kann man sie sich einfach schönknipsen – ganz ohne Kopfweh. Auch dieser Text sieht viel besser aus, als er in Wirklichkeit ist. Wenn Sie mal einen genaueren Blick darauf werfen, werden Sie schnell erkennen, dass viele Formulierungen mithilfe einer Software nachträglich aufpoliert wurden. Zudem sind 50 Prozent der Pointen gefälscht. Vielleicht finden Sie ja heraus, welche.