Eines der zentralen Probleme der Menschheit ist endlich gelöst: Der standesgemäße Ausschank sprudelnder Edelgetränke in der Schwerelosigkeit.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Nach den Vorstellungen führender Tourismusvisionäre könnte dem Kreuzfahrtboom in wenigen Jahren ein Bombengeschäft mit Weltraumreisen folgen. Wenn es so kommen sollte, stellen sich völlig neue Fragen – etwa die nach dem Getränkeausschank an Bord. Wer gelegentlich das Treiben auf der Internationalen Raumstation ISS verfolgt, weiß, dass es gar nicht so einfach ist, in der Schwerelosigkeit mit Flüssigkeiten zu hantieren. Schraubt man eine Wasserflasche auf und hält sie mit der Öffnung nach unten, passiert gar nichts. Allenfalls wenn man die Flasche ruckartig bewegt, kann man dank der Trägheit etwas Flüssigkeit dazu nötigen, das Behältnis zu verlassen. Astronauten bevorzugen daher in der Schwerelosigkeit tubenartige Gebilde, mit denen sie sich Getränke verlustfrei direkt in den Mund spritzen können.

 

Mit dem Begriff Schwerelosigkeit muss man allerdings vorsichtig umgehen, wenn man keinen Ärger mit den Physikern riskieren will. Denn tatsächlich wirkt die Schwerkraft unseres Planeten auch auf eine Raumstation, welche die Erde umkreist. Dass Menschen oder Dinge an Bord dennoch nichts zu wiegen scheinen, liegt daran, dass durch die Rotation um die Erde eine starke Fliehkraft entsteht, die die Station und alles darin Befindliche in Richtung Weltraum treiben will. In einer stabilen Umlaufbahn sind Schwer- und Fliehkraft genau gleich groß – und Gegenstände schweben scheinbar schwerelos herum. Ganz gleich, ob es sich um Bleiklötze oder Luftballons handelt.

„Ein schaumiger Schlamassel“

Zurück zu unserem Getränkeproblem. Besonders schwierig ist im Orbit der Umgang mit sprudelnden Drinks. Denn dort oben sind die Flüssigkeit und die darin befindlichen Kohlendioxidbläschen gleich schwer – beziehungsweise leicht. Deshalb vermischt sich beides zu einem gleichmäßigen Schaum, der durch den Raum wabert. So kommentierte die US-Raumfahrtbehörde Nasa 1985 das Foto eines Tropfens Coca-Cola in Schwerelosigkeit mit den Worten „ein schaumiger Schlamassel“.

Die betuchte Kundschaft, die die Anbieter von Raumreisen zunächst anlocken wollen, wird sich allerdings kaum mit Cola oder Selters abspeisen lassen, sondern feinsten Champagner ordern. Insofern war es höchste Zeit, das Menschheitsproblem des orbitalen Schampusausschanks mal ganz grundsätzlich anzugehen. Nach dreijähriger Entwicklungsarbeit hat der französische Champagnerhersteller Maison Mumm kürzlich stolz den Durchbruch gemeldet und sein „beispielloses Zero-Gravity-Flaschendesign“ vorgestellt. Das Hightech-Behältnis ermögliche endlich die standesgemäße Degustation von Champagner im Weltraum, schwärmt das Unternehmen. Großzügig verschwiegen wird dabei, dass man auch nach einem Trinkgelage in völliger Schwerelosigkeit einen verdammt schweren Kopf haben kann.

Überirdisches Geschmackserlebnis

Bei einem Parabelflug wurde die Flasche, aus welcher der Schampus mithilfe eines Spezialmechanismus herausgedrückt wird, einem Praxistest in zeitweiliger Schwerelosigkeit unterzogen. Dabei verließ das Getränk den Behälter als Schaum, „den man vielmehr einatmet als an ihm zu nippen“, so die Presseerklärung. Wie es weiter heißt, nahm die Edelbrause dabei „neue, überraschende Geschmacksmerkmale“ an und löste „unerwartete Empfindungen im Mund“ aus. „Der Ausdruck von Früchten ist vollkommener als auf der Erde“, säuselte ein Sommelier. Einfach überirdisch – wie wahrscheinlich auch der künftige Preis für so ein Gläschen Schampus in Space.

Laut Pressetext „bestanden die größten Schwierigkeiten darin, die Flüssigkeit aus der Flasche zu treiben, sie einzufangen, sobald sie herauskam und sie schließlich zu trinken“. Um zur Lösung dieser existenziellen Probleme beizutragen, hat den Mumm-Oberen zufolge sogar ein leibhaftiger Professor die Ergebnisse seiner 20-jährigen Forschung „zur Entstehung von Blasen in Champagner“ zur Verfügung gestellt. Die superreiche Zielgruppe beschäftigt sich unterdessen mit ihrem Beitrag „zur Entstehung von Blasen im Immobilienmarkt“. So kommt zusammen, was zusammengehört.