Ob die Linke eine neue Fraktionsspitze braucht, hängt allein von Fraktionschef Gregor Gysi ab. Bisher lässt er seine Partei zappeln. Doch beim Parteitag in Bielefeld will er sich erklären.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Bleibt er, oder geht er? Das ist die Schlüsselfrage, die die Linkspartei bei ihrem Bundesparteitag an diesem Wochenende in Bielefeld beantwortet. Oder vielmehr: beantwortet bekommt. Denn die Antwort darauf wissen nur Gregor Gysi und ein paar Getreue. Es geht darum, ob die Bundestagsfraktion in diesem Herbst eine neue Führung erhält oder nicht. Als der letzte noch aktive Altvordere aus der Gründergeneration der gesamtdeutschen Linken hat Gysi sich ausbedungen, die Entscheidung ganz alleine zu treffen, ob er im Herbst noch einmal für das Amt des Fraktionschefs kandidieren wird.

 

Eigentlich ist die bevorstehende Zusammenkunft der Linken kein Wahlparteitag, im Gegenteil: Das Führungsduo aus der Sächsin Katja Kipping und dem Schwaben Bernd Riexinger ist nun seit drei Jahren mit seinem integrierenden Führungsstil an der Spitze etabliert und hat ein weiteres Amtsjahr vor sich. Die Landtagswahlen 2015 sind entschieden. Bis zu den Urnengängen im nächsten Jahr und bis zur Bundestagswahl 2017 ist es noch lange hin. Eigentlich war das Treffen gedacht, um die strategische Aufstellung für die kommenden Wahlen vorzubereiten und innerparteiliche Streitfragen – etwa das bedingungslose Grundeinkommen – kontrovers zu diskutieren. Das wird auch passieren. Aber es wird im Schatten von der Frage nach Gysis Zukunftsplänen stehen.

Sahra Wagenknecht will den Fraktionsvorsitz nicht

Das Recht, allein zu entscheiden, wird dem seit zehn Jahren amtierenden Fraktionschef zugestanden. Tritt Gysi an, kann er mit großer Mehrheit rechnen. Das ist insofern kurios, als der Parteitag vor einem Jahr die Bundestagsfraktion ultimativ aufgefordert hat, bis Ende 2014 eine Doppelspitze in der Fraktion zu installieren.

Ein Teil der Partei – angeführt Gysi selbst – verstand das als unverbindlichen Hinweis. Der andere Teil – angeführt von Gysis erster Stellvertreterin Sahra Wagenknecht, die seit langem Ambitionen zum Aufstieg auf den Ko-Vorsitz hatte – als klare Kursvorgabe. Gekommen ist es dann ganz anders. Erstens stehen die Wahlen zum Fraktionsvorsitz turnusgemäß erst in diesem Herbst an. Zweitens hat Gysi in den vergangenen Jahren nie einen Zweifel daran gelassen, dass er in seiner Amtszeit keine Ko-Chefin und schon gar nicht Sahra Wagenknecht neben sich dulden will. Drittens wurde seine Absicht, den Mecklenburger Dietmar Bartsch (als Vertreter der Reformer) und Sahra Wagenknecht (als Repräsentantin der Parteilinken) als Nachfolgeduo zu installieren, von Wagenknecht selbst durchkreuzt: Sie ließ vor einigen Wochen wissen, dass sie nicht für den Fraktionsvorsitz kandidieren wird, sondern sich lieber auf das konzentrieren wolle, was sie am besten könne: als Vize-Vorsitzende linke Positionen in Talkshows oder Podiumsdiskussionen zu vertreten.  

Gysi will die Linken für Rot-Rot-Grün begeistern

Seither ist die Partei im Wartestand. Gysi inszeniert sich lustvoll als Geheimniskrämer. Nein, er habe sich noch nicht entschieden, sagt der 67-jährige Berliner auf Fragen stets; dass er spätestens „mit neunzig“ ausscheiden wolle, dass es nicht leicht sei, den richtigen Zeitpunkt für den Absprung aus der Politik zu erwischen, und dass er auf jeden Fall einen Parteitag und nicht erst die Medien informieren werde. Zugleich beschwört er in Interviews seine Partei, Kurs auf eine Regierungsbeteiligung zu nehmen. „Wir müssen regieren wollen“, ist sein Schlüsselsatz. Die SPD könnte schon morgen den Kanzler stellen, wenn sie den Mumm zu Rot-Rot-Grün hätte.

Die Interviews klingen nicht, als wolle der Interviewte bald aufs Altenteil. Der Parteivorstand hat Gysi gebeten, weiterzumachen, verlässt sich aber nicht darauf, wie Linke-Chef Bernd Riexinger erklärte. Die Partei sei „auf jede seiner Entscheidungen vorbereitet“, betont er. „Wir haben Nachfolgelösungen diskutiert und werden sie zeitnah präsentieren.“ Sowohl Gregor Gysi als auch Sahra Wagenknecht werden von ihren Anhängern bekniet; Gysi, dass er weitermachen, und Wagenknecht, dass sie ihre Absage an den Job im Fall des Falles revidieren solle. Unterdessen will Gysis Vize, Dietmar Bartsch, wissen, dass die Entscheidung gefallen sei Ob das stimmt? „Keine Ahnung. Und wenn schon? Vielleicht entscheidet er sich auch noch mal um“, sagt ein Fraktionssprecher. „Entscheidend ist auf’m Platz.“