Rocko Schamoni, Heinz Strunk und Jacques Palminger alias Fraktus musizieren und scherzen in den Wagenhallen – verquirlt mit hunderten Rockklischees und einem sehr seltsamen Instrument.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Am besten begreift man dieses Konzert, wenn man es als Persiflage auf den Konzertbetrieb begreift. Los geht es zum Beispiel damit, dass auf der Leinwand ein Countdown heruntergezählt und von einer Stimme aus dem Off die „beste Liveband Deutschlands“ angekündigt wird. Weiter geht es mit dem Hinweis, dass hier eine Combo auf der Bühne stehe, die nicht nur den Techno, sondern nebenher auch noch das Internet erfunden habe. Sodann begrüßt der, man darf es wohl so sagen, Leadsänger Rocko Schamoni das am Dienstagabend in die bestens besuchten Wagenhallen geströmte Publikum mit den Worten „Wir sind Fraktus und wir spielen Rock’n’Roll“ – so wie es der kürzlich verstorbene Lemmy Kilmister traditionell zu Beginn eines jeden Motörhead-Konzerts ausgerufen hat. Tja, und dann gebärdet sich Schamoni, der sich mittlerweile auch eine ansehnliche Haarmatte hat wachsen lassen, wie der Vorsteher einer Band, die wahlweise Cinderella, Def Leppard oder Europe heißen könnte.

 

Gespielt wird allerdings kein Hair-Metal, sondern Elektromusik der ulkigsten Sorte, vom Habitus der drei in Handwerkeranzüge gewandeten Herren her an tatsächliche Genreerfinder wie Kraftwerk erinnernd. Die Stücke tragen allerdings, ähem, etwas unkonventionelle Titel wie „Saugetücher“, „Maler und Lackierer“, „Schuhe aus Glas“ oder die köstliche Nummer „Freunde sind Friends“– passend zur Ironie des ganzen Abends werden dazu in den Wagenhallen die Feuerzeuge gereckt. Vorgebracht werden die Titel von Heinz Strunk auf der Querflöte, von Jacques Palminger auf einer Mischung aus Didgeridoo und Taschenlampe oder auf der von den drei launigen Musikern sogenannten Flötel, bei der es sich um eine Blockflöte mit Rückspiegel handelt.

Man erkennt unschwer, dass hier jede Menge Gaudi und Klamauk im Spiel ist. Es regiert jedoch nicht der Humor à la Fips Asmussen, Otto Waalkes oder Didi Hallervorden, sondern ein gänzlich elaborierter. Ein so feinsinniger, wie ihn Palminger schon mit der Formation Studio Braun vorgebracht, wie ihn der Bestsellerautor und Theatermensch Rocko Schamoni in den „Dorfpunks“ verkörpert oder wie ihn Heinz Strunk in seinen fulminanten Büchern wie etwa „Heinz Strunk in Afrika“ in Zeilen gegossen hat. Drei echte Freunde des subtilen Scherzes sind hier auf der Bühne.

Das Spiel mit der eigentlichen Nichtexistenz

Große Klasse sind folglich nicht nur die ausgefuchsten Liedtexte, sondern auch die Zwischenansagen – vor allem jedoch das auch visuell auf einer mächtigen und prächtig bespielten Videowand in Szene gesetzte Konzept. Denn die nun real auf der Bühne stehende Band Fraktus resultiert aus dem gleichnamigen, 2012 gedrehten Film aus der Gattung Mockumentary, in dem vorgegaukelt und von zahlreichen tatsächlich existierenden Popzeitzeugen belegt wird, was die (zu Zeiten des Filmdrehs natürlich inexistente) Band Fraktus doch für ein toller Haufen sei.

Daneben verdankt Fraktus sich eben jenem Vexierspiel, dem Spiel mit der eigentlichen Nichtexistenz. Verquirlt mit Hunderten von Klischees aus dem Rockstarleben, erwächst der eigentliche Reiz der eingangs erwähnten Persiflage, dieser Dekonstruktion aller herrschenden Popmusikkonventionen, dem albernen und fast schon ins Dadaistische abgleitenden Spott über die vermeintliche lyrische Tiefe zahlreicher Rocklieder ebenso wie der Negation eines branchentypischen Musizierduktus. Die Wirklichkeit im Musikshowbusiness hat jedenfalls lange niemand so gut aufgespießt, konterkariert und ad absurdum geführt wie das Hamburger Trio, das nach wie vor zu den Garanten des außerordentlich gepflegten deutschen Unterhaltungsspaßes zählt. Ein feiner und vom Publikum zu Recht gefeierter Abend.