Am Samstag eröffnen Carlo Spanu (links) und Franjo Kolak das Netzer an der Herzogstraße 4. Dort, wo bis Ende Oktober 2015 fast 20 Jahre lang das Café Heller, eine Stuttgarter Institution, zu Hause war.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Er sieht eine Chance, wo andere längst keine mehr sehen. Das ist Franjo Kolaks Philosophie. Permanente Veränderung, ständig mit der Zeit gehen – das muss ein Gastronom heute aus seiner Sicht tun. Nach einem Jahr, in welchem gleich vier Stuttgarter Gastro-Urgesteine – Café Stella an der Hauptstätter Straße, die Suite 2012 an der Theo-Heuss sowie Soho und Café Heller im Stuttgarter Westen – aus meist denselben Gründen die Segel gestrichen haben, ist das ein gewagter Spruch. Der Einheitsbrei Systemgastronomie wächst und gedeiht, der unabhängige Gastronom hat es schwer, sich neben all den Vapianos und Starbucks zu behaupten. „Man muss sich trotzdem trauen“, betont der gebürtige Stuttgarter.

 

Barbetrieb mit hochwertigen Drinks

Das tut er auch. Am Samstag eröffnet er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Carlo Spanu das Netzer an der Herzogstraße 4. Dort, wo bis Ende Oktober 2015 fast 20 Jahre lang das Café Heller zu Hause war. Eine Stuttgarter Institution.

Die großen Fußstapfen, in welche sie treten, machen Kolak und Spanu keine Angst. „Wir sind da selbstbewusst“, sagt Kolak. Er ist überzeugt, dass ihre Mischung aus Café, Bar und Restaurant ebenfalls eine Institution wird. Womit sie überzeugen wollen? Mit solidem Kochhandwerk und regionalen Produkten, einer Aufwertung der dürftigen Stuttgarter Frühstückslandschaft und einem Barbetrieb „mit hochwertigen Drinks“ am Abend – und viel Liebe zum Detail. „Wenn wir Tütensuppen verkaufen, dann können wir es gleich lassen“, so die Auffassung der beiden.

Netzer ist ein Fantasiename

Bei der Einrichtung haben sie mit der Detailplanung begonnen. Die ist „unbezahlbar“, wie Kolak sagt. Nicht weil im Netzer künftig nur erlesenes Mobiliar rumsteht. Vielmehr haben sie in mühevoller Eigenarbeit dem Heller in den vergangenen Wochen eine neue Optik verpasst. Das Designkonzept stamme von Michael Hamma, einstigem Besitzer des Café Seyffers und dem Hölderlin im Westen, so Kolak. Inmitten der Baustelle ziert bereits eine lange Bar aus Holz den Raum. An der Decke hat Kolak in den vergangenen vier Wochen unzählige Gold schimmernde Platten mit Lämpchen angebracht. „Wie lange machsch noch an der Decke rum?“ sei er schon gefragt worden. „Aber jeder findet es bisher gut“, verteidigt sich der 41-Jährige. Er hatte die Idee für das Netzer – ein Fantasiename – und ist anfangs alleine gestartet. Carlo Spanu habe ihm als Freund geholfen. „Irgendwann kamen wir darauf, unsere Kompetenzen zu bündeln“, sagt Kolak. Was nach Personaler-Sprache klingt, ist dann doch recht einfach: Aus einem Restaurantbesitzer und einem Caterer wird das Netzer mit Catering-Service.

Aus zwei Einzelkämpfern wird ein Team

Die Kombi halten beide für gelungen. Auch damit will man sich abheben. Und mit Erfahrung: denn Kolak und Spanu sind beide keine Gastro-Anfänger. Kennengelernt haben sie sich vor Jahren hinter der Bar im einstigen Café Scholz am Marktplatz. Kolak betreibt derzeit das Restaurant Columbus auf dem Vaihinger Campus der Universität Stuttgart. Spanu besaß einst zwei Cafés, erst in Bad Cannstatt, dann in Nürtingen. In den vergangenen zwei Jahren konzentrierte er sich auf seinen Catering-Service. „Jetzt möchte ich zurück in den Tagesbetrieb“, sagt der 39-Jährige. Aus zwei Einzelkämpfern wird also ein Team. „Wir sind happy, dass es so gekommen ist. Wir haben ein schönes Objekt und die gleiche Philosophie“, sagt Kojak. Wie diese im Einzelnen aussieht, wollen sie noch nicht recht verraten. Vieles soll ja sowieso ständig im Fluss sein: keine feste Karte, wechselnde Mittagstischgerichte, nicht immer der gleiche Käse zum Frühstück. Was sie nicht sein wollen, wissen die künftigen Netzer-Betreiber wiederum genau: keine Szene-Cocktailbar, nichts Affektiertes und auf keinen Fall das Auffangbecken der Theo-Heuss-Heimkehrer.

Was sich im Columbus bewährt hat, möchte Kolak beibehalten, ein direkter Austausch mit den Gästen zum Beispiel. Viele Alleinlebende kochen seiner Erfahrung nach selten für sich selbst etwas Gutes. „Wenn sich ein Stammgast ein spezielles Gericht wünscht, habe ich das dann auch mal gekocht“, erzählt er.

Wer sich persönlich überzeugen möchte, wie genau das Lieblingsessen zubereitet wird, den nimmt Kolak mit in die Küche „Bei uns dürfen die Gäste in die Töpfe schauen.“ Transparenz soll ebenfalls zur Philosophie gehören.