Der Musberger Frank Stäbler wird bei den Olympischen Spielen in London Fünfter. Eine Chronologie der Kämpfe aus der Sicht eines Daheimgebliebenen.

London/Musberg - Neun Uhr: die Sportredaktion der FAZ twittert einen Artikel über „das fliegende Eichhörnchen“, Frank Stäbler. Es ist das zweite Mal innerhalb von 24 Stunden, dass sein Name beim Kurznachrichtendienst auftaucht. Die andere Meldung stammt von Stäbler selbst. Es ist seine Twitter-Premiere: eine Ankündigung seines ersten Kampfes. Zu diesem Zeitpunkt hat er noch keine 50 Internet-Abonnenten.

 

9.45 Uhr: das ZDF beginnt seine Fernseh-Übertragung aus London. Nach dem medaillenlosen Montag spekulieren Onlinemedien auf einen deutschen „Super Tuesday“. Steiner, Harting, Hambüchen, Nguyen, die Triathleten, die Dressurreiter, die Surfer gehen an den Start – und Frank Stäbler. Allgemeiner Tenor: da muss doch etwas gehen.

Erste Online-Bilder

13.47 Uhr: die Europäische Rundfunkunion (EBU) zeigt online erste unkommentierte Bilder aus der Excel-Arena. Zu sehen: wuselnde Funktionäre und drei Matten. „Was sie heute erleben werden, ist das Resultat von Herz, Schweiß und Hingabe“, sagt der Hallensprecher und verspricht dem Publikum einen „amazing afternoon“. Zu deutsch: einen einmaligen Nachmittag.

13.58 Uhr: zu den Klängen von „Seven Army Nation“ laufen die Ringer ein, die in der 66-Kilo-Klasse in die Qualifikation müssen. Eine Frage von Losglück beziehungsweise Lospech. Frank Stäbler steht direkt im Achtelfinale, bekommt es dort mit dem Ungarn Tamas Lörincz zu tun, dem Europameister von 2006. Die Deutsche Presse-Agentur zählt Stäbler neben dem Iraner Saeid Abdvali und dem Georgier Manuchar Tskhadaia zu den Favoriten.

Kein Livestream

14.21 Uhr: andere Baustelle in London. Der Triathlon-Wettbewerb ist vorbei. Das ZDF wechselt zu einer Aufzeichnung des Medaillenrennens im Surfen der Männer; zeigt, wie Toni Wilhelm im letzten Moment Bronze in den Wind setzt. Zeitgleich betritt Frank Stäbler die Halle. Ratlosigkeit vor dem heimischen Computerschirm: der Livestream des ZDF läuft nicht. Schläft da einer? Hallo, ihr Herren Fernsehtechniker, es geht doch los!

14.23 Uhr: Stäbler und Lörincz positionieren sich. Es wird ernst. Bei Olympia sei alles möglich, eine Medaille genauso wie ein frühes Ausscheiden, haben Frank Stäbler und sein Heimtrainer Andreas Stäbler im Vorfeld gesagt. Aber dass tatsächlich nach nur einem Kampf alles vorbei sein könnte? Eine unangenehme Vorstellung. Die EBU ist online live drauf, das ZDF nicht. Dafür läuft der Stream der ARD. Die Auflösung lässt zu wünschen übrig. Eik Galley kommentiert, Stäbler liegt früh zurück, verliert die erste Runde deutlich. „Das ist der erwartet schwere Gegner“, sagt Galley, „aber die erste Runde hat noch nichts zu bedeuten.“

Das ZDF steigt ein

14.27 Uhr: jetzt steigt auch das ZDF ein, zeigt den Kampf zeitversetzt. Frank Stäbler sei einiges zuzutrauen, sagt der Studiomoderator Michael Steinbrecher – zu einem Zeitpunkt, zu dem der Musberger schon den Kürzeren gezogen hat. 1:4 und 0:2. Im Stream ist Stäbler bereits zu Boden gesunken, als der Kommentator Hermann Valkyser noch stöhnt. Ein „Schade, schade, schade“ schickt er in die deutschen Wohnzimmer, „jetzt bleibt nur noch die Hoffnung auf die Hoffnungsrunde“.

14.51 Uhr: das Hoffen beginnt – unter schlechten Vorzeichen. Lörincz müsste nun ins Finale durchmarschieren, damit Stäbler eine zweite Chance in der Konkurrenz bekäme, verliert aber die erste Runde gegen den US-Amerikaner Justin Lester. Dann die Wende: Lörincz zieht den Kopf aus der Schlinge. Zu sehen ist das nur bei der EBU, Sportschau-Online konzentriert sich auf die schwereren Jungs, die 96-Kilogramm-Ringer.

Lob für den Ungarn

15.13 Uhr: während Marcel Nguyen im ZDF zu Silber turnt, stellt sich der Ringer-Bundestrainer Jannis Zamanduridis im ARD-Stream den Fragen von Eik Galley. „Die Enttäuschung ist natürlich groß, aber das muss Frank jetzt abstreifen. Der Wettkampf ist erst vorbei, wenn er vorbei ist.“ Dazu gibt’s Lob für „den starken, flexiblen und stabilen Ungarn“. Man dürfe auch nicht vergessen, wie jung Stäbler sei, ein absoluter Perspektivringer. „Das stimmt“, sagt Galley – und lässt Zamanduridis erzählen, wie er selbst es 2004 im Alter von 38 Jahren noch einmal zu den Olympischen Spielen von Athen geschafft hat.

16.02 Uhr: „Aber jetzt. Jetzt gilt es.“ Der Kommentator kündigt den Halbfinalkampf von Lörincz gegen den Georgier Tskhadaia an, „eine verdammt schwere Aufgabe“. Kaum gesagt, ringt sich der Ungar in Führung, als wäre es ein Leichtes, hebt den Favoriten auch im Bodenkampf aus. „Grandios“, frohlockt Galley. Stäbler ist wieder im Rennen. Im Stream sieht man hüpfende Ungarn, dann Synchronschwimmerinnen.

Spektakulärer Kampf

18.45 Uhr: der erste Kampf der Hoffnungsrunde. Noch ist Frank Stäbler nicht dran, aber die Nervosität steigt, auch bei den Fans vor den Bildschirmen. „Ganz L.E. steht hinter dir“, schreibt eine Anhängerin bei Facebook. Zu diesem Zeitpunkt hat Frank Stäbler 5370 „Gefällt mir“-Angaben.

19.02 Uhr: während der Cottbusser Maximilian Levy im Velodrom zu Keirin-Silber sprintet, bringt Stäbler Eik Galley in Verzückung. Gegen den Amerikaner Lester holt er einen frühen Punkt, dann noch einen, dann noch drei, legt ihn fast auf die Schultern, agiert wie entfesselt – auch in der zweiten Runde. „Da ist mit Abstand der spektakulärste Kampf des Tages, eine Demonstration“, schwärmt Galley.

19.31 Uhr: jetzt ist der Kampf auch im ZDF zu sehen, als Aufzeichnung nach den Heute-Nachrichten. Valkyser würdigt Andreas Stäbler, den Heimtrainer. Der ist im letzten Moment unverhofft doch noch zu einer Akkreditierung gekommen, steht neben dem Bundestrainer an der Matte.

Es reicht nicht

19.45 Uhr: das Duell um Bronze – live wieder nur im Netz. Das ZDF sendet Werbung. „Frank, zieh ihn rauf“, ruft Galley während des Bodenkampfes. Doch es reicht nicht, auch die zahlreichen berüchtigten Eichhörnchensprünge gehen ins Leere. Stäbler wird Fünfter. „Es war ein tolles olympisches Turnier“, sagt der Kommentator. Der Musberger könne „erhobenen Hauptes“ die Halle verlassen. Bei Facebook bringt ein Fan die Hoffnung und Meinung vieler auf den Punkt: „In vier Jahren wird’s was. Trotzdem herzlichen Glückwunsch.“