Es war die größte Katastrophe in der Geschichte der Arktisforschung: Sir John Franklin und seine Crew starben, als sie vor rund 170 Jahren die Nordwestpassage nördlich von Kanada suchten. Nun sind Forscher der Expedition endlich auf die Spur gekommen.

Ottawa - Milchig trüb, aber eindeutig sind die Videoaufnahmen, die da vom Meeresboden geliefert werden. Das sind die Überreste eines Schiffs: Schiffsrumpf, Balken, Planken, Rohre. Die Wissenschaftler an Bord des kanadischen Eisbrechers Wilfried Laurier, der in den eisigen Gewässern der Nordwest-Passage liegt, sind fasziniert. Nach fünf Anläufen haben sie ihr Ziel erreicht (die StZ berichtete). Sie haben das Wrack eines der beiden Schiffe gefunden, mit denen der britische Forscher Sir John Franklin vor fast 170 Jahren als erster die legendäre Route durch die Inselwelt der kanadischen Arktis durchqueren wollte. „Unbestreitbar“ sei das das Wrack eines Franklin-Schiffs, befindet Unterwasser-Archäologe Ryan Harris.

 

Bei dem Versuch, den Seeweg zu finden, der die Fahrt von Europa nach Asien verkürzen würde, waren Franklin und seine rund 130 Mann ums Leben gekommen. Es ist bis heute die größte Tragödie der Geschichte der Arktisforschung. Die beiden Schiffe, die HMS Erebus und die HMS Terror, blieben verschollen. Nun ist das große Rätsel weitgehend gelöst. Eines der beiden Schiffe – noch ist nicht klar, um welches es sich handelt – liegt in der Nähe der König-William-Insel. Nach dem zweiten Schiff soll weiter gesucht werden.

Sir John Franklin hatte im Mai 1845 England verlassen, um die Nordwestpassage durch die kanadische Inselwelt zu finden. Seine Expedition endete in einer Katastrophe. Die Schiffe blieben im Eis stecken und die Besatzung musste dreimal im arktischen Eis überwintern. Auf der König-William-Insel wurde später eine unter einem Steinhaufen zurückgelassene Botschaft gefunden, wonach Franklin am 11. Juni 1847 starb und zuvor 23 Besatzungsmitglieder gestorben waren.

Zu Fuß versuchten die Überlebenden 1848, einen Posten der Handelsgesellschaft Hudson Bay Company im Süden zu erreichen, aber sie kamen nie an. Die 105 Männer verschwanden in der Eiswüste. Auch die Schiffe wurden nicht gefunden. Aufgrund der Funde entlang des Wegs der Franklin-Expedition und Erzählungen der Inuit wurden die Erebus und Terror in der Meerenge zwischen Victoria- und König-William-Insel oder angrenzenden Abschnitten der Nordwestpassage vermutet. Viele Expeditionen – darunter eine von Franklins Frau finanzierte – wurden in die Arktis geschickt, um das Schicksal Franklins und seiner Crew zu klären.

Der genaue Fundort bleibt geheim

Aber erst auf der sechsten Expedition der kanadischen Regierung werden die Forscher fündig. Das Wrack befindet sich in einem guten Zustand, stellten die Experten nach der Sichtung der ersten Bilder fest. Das eisige Wasser hat den Zerfall des Holzes offenbar verlangsamt. Offiziell wird die Fundstelle nicht bekannt gegeben. In Ottawa aber ist zu hören, dass die Fundstelle nahe der kleinen O’Reilly-Insel liegen soll, südlich der König-William-Insel. Nach Angaben des Rundfunks CBC liegt das Wrack nur elf Meter unter der Wasseroberfläche. Die Schiffswracks waren 1992 zu „nationalen historischen Orten“ erklärt worden.

Dass die Schiffe jetzt gefunden wurden, ist einem doppelten Zufall zu verdanken: In diesem Jahr sollte eigentlich mehr im Norden gesucht werden. Doch weil Eis den Weg versperrte, wandte man sich nach Süden. Archäologen des Arktisterritoriums Nunavut nutzten dies, um sich auf der O’Reilly-Insel umzusehen – und stießen auf zwei bemerkenswerte Funde: eine eiserne Klammer, die als Teil eines Bootskrans identifiziert wurde, mit dem Rettungsschiffe zu Wasser gelassen werden, und ein Holzstück, das vermutlich als Pfropfen für eine „Klüse“ diente, durch die Ketten etwa für den Anker durch die Schiffswand oder das Schiffsdeck geführt werden.

Der Fund am 1. September führte zu einer intensiven Suche. Sonartechnologie, bei der mittels Schallwellen Aufnahmen gemacht werden, brachten am 7. September die Sensation. Dann wurde ein ferngesteuertes, kabelgeführtes Unterwasserfahrzeug eingesetzt, das Videoaufnahmen und weitere Fotos lieferte.

Nun wird gespannt darauf gewartet, was man im Schiffskörper finden wird. Ein Logbuch, das Aufschluss über die tragische Reise gibt? Finden sich an Bord vielleicht noch sterbliche Überreste Franklins, der auf einem seiner Schiffe starb? Und warum scheiterte die Reise: Verhungerten und erfroren die Männer oder kamen sie durch Bleivergiftung durch unsachgemäß verlötete Konserven ums Leben? Oder wurden sie beim Fußmarsch von Eisbären getötet?

Kanada erhebt Ansprüche

Die Suche nach den Schiffen ist Teil der Politik, mit der die Regierung Kanadas Souveränitätsansprüche in der Arktis stärken will. Die Nordwestpassage wird in Zukunft stärker von der internationalen Schifffahrt genutzt, aber die Hoheitsrechte über die Wasserstraße sind umstritten. Rechtlich hat der Fund vermutlich keine Bedeutung. Er ist aber symbolisch wichtig, weil er die historischen Bindungen Kanadas an die Nordwestpassage unterstreichen.

Die Schiffe sind zwar Eigentum Großbritanniens, Kanada wurde aber das Recht eingeräumt, nach den Schiffen zu suchen und sie im Erfolgsfall zu bergen. Aus London meldete sich Queen Elizabeth zu Wort, die formal Staatsoberhaupt des Commonwealth-Landes Kanada ist. Mit großem Interesse habe sie die Nachricht von der Entdeckung aufgenommen, schrieb die Queen.