Seit 40 Jahren treffen sich Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Stuttgart-Sillenbuch jedes Jahr mit Gleichaltrigen aus dem französischen Montbazon. Die Gastgeschenke sind die gleichen geblieben, aber eines hat sich doch verändert...

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Sillenbuch - Kurz ist das Geschrei groß: In einem der riesigen Salatköpfe haben die Schüler des französischen Collège Albert Camus in Montbazon eine dicke Schnecke entdeckt. Sie kreischen und kichern – bis eine der Mütter beherzt eingreift und das Salatblatt samt Schnecke im Kompostmüll verschwinden lässt. Bei diesem Essen soll nichts schief gehen; schließlich kochen die 33 Gastschüler aus der französischen Gemeinde Montbazon, rund 250 Kilometer südöstlich von Paris, für ihre deutschen Gastgeber.

 

Neun Tage lang beherbergen 33 Achtklässler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums die Gäste aus Frankreich. Doch dieses Jahr ist etwas anders: Es ist das 40. Mal, dass Schüler aus Montbazon nach Sillenbuch kommen und umgekehrt. Aus diesem Grund sind bei dem gemeinsamen Maultaschenkochen dieses Jahr auch zwei besondere Gäste dabei: Manfred Hauswirth, der als Französischlehrer und stellvertretender Schulleiter vor 40 Jahren den Schüleraustausch mit Montbazon ins Leben gerufen hat, und Katrin Engel, die als Schülerin des GSG beim zweiten und dritten Frankreichaustausch damals mit dabei war.

Manche Freundschaften bestehen bis heute

„Wir waren damals ganze zwei Wochen in Montbazon und haben die allermeiste Zeit mit den Franzosen im Unterricht verbracht“, berichtet Karin Engel, die ihr Abitur am GSG im Jahr 1984 abgelegt hat. Die Heumadenerin ist mittlerweile selbst Französischlehrerin – und führt dies zu einem großen Teil auf den Frankreichaustausch zurück. „Ich war damals nicht sehr gut in Französisch, aber meine Eltern haben mich einfach angemeldet. Dort war ich gezwungen, Französisch zu sprechen – und merkte, dass ich mich doch irgendwie verständigen konnte.“

Mit ihrer Austauschpartnerin selbst hat sich Katrin Engel damals zwar nicht besonders gut verstanden, trotzdem sind ihr die zwei Wochen gut in Erinnerung: „Die Eltern meiner Austauschschülerin waren Metzger und hatten einen eigenen Betrieb. Das Wochenende verbrachte die Familie durchgängig auf dem Wochenmarkt, wo ich mit vielen Franzosen in Kontakt kam.“ Außerdem hat sie eine Klassenkameradin ihrer „corres“ als Freundin gewonnen. Noch heute treffen sich die Familien der beiden Frauen regelmäßig.

Anfangs waren gemischte Paare undenkbar

Der ehemalige Französischlehrer Manfred Hauswirth hat erlebt, wie sich der Austausch über die Jahre verändert hat: „Zu Beginn war es beispielsweise völlig undenkbar, dass es gemischte Paare gibt, also französische Schüler bei deutschen Schülerinnen untergebracht sind oder umgekehrt.“ Mittlerweile sei dies längst nicht mehr so streng, sagt Françoise Masinski, die Deutschlehrerin des Collège in Montbazon: „Wir haben nicht immer gleich viele Jungs und Mädchen von den beiden Schulen. Generell wollen die meisten schon lieber einen gleichgeschlechtlichen Partner – aber wenn die Alternative ist, dass sie sonst gar nicht am Austausch teilnehmen können, nehmen sie das auf sich.“

Ebenfalls deutlich verändert hat sich das Programm: Heutzutage stehen für die Schüler während ihres Austauschs viel mehr Ausflüge und deutlich weniger gemeinsamer Unterricht an. „Wir würden die insgesamt mehr als 60 deutschen und französischen Schüler nicht gemeinsam in ein Klassenzimmer bekommen und ein sinnvoller Unterricht wäre dann auch kaum möglich. Deshalb müssen wir die Austauschschüler für die Unterrichtsbesuche in Kleingruppen aufteilen, was sehr kompliziert ist“, sagt Christina Beuggert, Französischlehrerin des Geschwister-Scholl-Gymnasiums.

Franzosen lieben den Europapark-Besuch

Bei den Schülern kommen die Ausflüge jedenfalls gut an: Wenn die Sillenbucher in Montbazon sind, besichtigen sie traditionell eines der vielen prunkvollen Schlösser in der Umgebung, machen eine Bootsfahrt auf der Loire und backen Croissants oder Eclairs. „Der Höhepunkt für die Schüler ist aber immer der Besuch im Futuroscope, eine Art Mischung aus Wissenschafts- und Freizeitpark“, berichtet Françoise Masinski. Gleichermaßen würden die französischen Schüler traditionell auf den Besuch im Europapark Rust hinfiebern – der am heutigen Montag ansteht.

Doch eines hat sich über all die Jahre nicht verändert: die Gastgeschenke. „Ich habe damals meiner Austauschpartnerin Spätzle und Trollinger mitgebracht“, sagt Katrin Engel. Als Lehrerin weiß sie, dass deutscher Wein und Spätzle auch heute noch zu den gängigsten Gastgeschenken gehören. Zudem seien immer einige Tafeln deutsche Schokolade mit im Gepäck.