Exklusiv Landesumweltminister Untersteller wendet sich dagegen, dass die Windkraft im Südwesten durch schwarz-grüne Pläne ausgebremst wird. Schwarz-rote Reformpläne für die Förderung erneuerbarer Energien will er notfalls im Bundesrat kippen.

Schwarz-rote Reformpläne für die Förderung erneuerbarer Energien will Minister Untersteller notfalls im Bundesrat kippen. Er sieht auch im Süden gute Chancen für die Windenergie.
Herr Minister Untersteller, wie stark bremst die schwarz-rote Koalitionsvereinbarung die Energiewende in Baden-Württemberg?
Sie bremst sie nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Bundesländern. Im Vertrag finden sich eine Reihe von Punkten, die hinter den Notwendigkeiten zurückbleiben. Es nützt nichts, in Prosa die Fortsetzung der Energiewende hineinzuschreiben und gleichzeitig den Ausbau der erneuerbaren Energien einzugrenzen. Auch die steuerliche Abschreibung für die Sanierung von Gebäuden ist in letzter Minute wieder aus dem Vertragswerk herausgenommen worden. Schließlich will man das Erneuerbare Wärmegesetz auf Bundesebene nicht so weiterentwickeln, wie wir es in Baden-Württemberg machen, indem wir auch Anforderungen an den Gebäudebestand stellen.
Bei der Windkraft sollen schwache Standorte weniger Förderung erhalten. Ist es nicht vernünftig, dem flachen Norden die Windkraft zu überlassen und im bergigen Süden die Solarkraft zu forcieren?
Nein. Wenn wir in die Richtung wollen, über die sich alle vier Parteien im Bundestag und die Länder einig waren, dass wir die Energiewende bis 2050 schaffen und dann mehr oder weniger vollständig mit erneuerbaren Energien auskommen, dann gibt es kein Entweder-oder. Da brauchen wir Windenergie im Norden – auch offshore –, aber auch im Süden. Baden-Württemberg hat einige angeblich schwache Standorte, die wir mit neuen Anlagekonzepten gut nutzen können, und zwar im Umfang von 2000 bis 2500 Voll-Laststunden im Jahr. Das ist mehr als das Doppelte, was Fotovoltaikanlagen im Süden bringen. Deutsche Hersteller haben sogenannte Schwachwindanlagen entwickelt. Aber um sie aufzustellen, müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Die Investoren sind doch keine Wohlfahrtsvereine.
Schwarz-Rot will nur noch Windkraft fördern, wenn sie Referenzerträge von 75 bis 80 Prozent liefern. Mit diesem Wert geben Experten eine Prognose über den Jahresertrag ab. Klingt der Plan nicht plausibel? Schließlich sagt der Deutsche Wetterdienst, alle Standorte unter Referenzwerten von 85 Prozent seien schlecht geeignet für Windkraft.
Nein, die Ansicht teile ich nicht. Die Hälfte aller potenziellen Standorte für Windkraft in Baden-Württemberg fallen in die Kategorie von 60 bis 70 Prozent Referenzertrag. In Bayern sieht es ähnlich aus. Aber wie ich bereits ausführte, kommen Sie mit neuer Technik auf gute Voll-Lastwerte. Man will offenbar bei den Erneuerbaren die Kosten eingrenzen. Ich frage mich, warum man das ausgerechnet bei der preisgünstigsten, der Windkraft auf dem Land, tun will. Ich habe nichts dagegen, die Windkraft auf dem Meer auszubauen, das ist auch notwendig. Aber die Offshore-Technik ist die teuerste unter den Erneuerbaren, Onshore die billigste. Sie kommen mit ihr auf Stromgestehungskosten die so niedrig liegen wie bei modernen Gaskraftwerken.
Bis 2020 sollten im Land 1100 neue Windräder entstehen. Ist der Plan Makulatur?
Zunächst geht es darum, den Bund in den nächsten Monaten davon zu überzeugen, dass diese Überlegungen im Koalitionsvertrag korrigiert werden. Darin sehe ich unsere Aufgabe. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) muss auch durch den Bundesrat. Wir haben jetzt sechs Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung, kommt Hessen dazu, dann sind es sieben. Wir haben da ein Wörtchen mitzureden. Ich sehe daher im Moment keinen Grund, von unseren Plänen für die Energiewende in Baden-Württemberg Abstand zu nehmen. Wir kämpfen dafür, dass wir die Standorte, die wir haben, auch entwickeln können.
Wenn die schwarz-roten Pläne Wirklichkeit werden, wären bereits getätigte Investitionen in Windparks gefährdet?
Nein. Im Koalitionsvertrag ist von Bestandsschutz die Rede, ich gehe davon aus, dass damit auch Projekte in einem gewissen Planungsfortschritt gemeint sind. Wir leben ja in einem Rechtsstaat.
Hätte sich Ihr Koalitionspartner – die SPD im Land – nicht stärker für den baden-württembergischen Weg einsetzen müssen?
Was wir besprochen haben – die neue Schwelle für die Förderung bei Referenzerträgen für die Windkraft von 75 bis 80 Prozent –, ist in der letzten Verhandlungsnacht auf Wunsch des Kanzleramts in den Vertrag hineingekommen. Das konnte die SPD in Stuttgart nicht wissen. Auch unser SPD-Bundesratsminister Peter Friedrich ist mit der Formulierung im Vertrag alles andere als glücklich. Es gibt da keine Differenzen zwischen den Koalitionspartnern.