Seit bald drei Jahrzehnten unterstützt Schwester Margret in Stuttgart Arme und Ausgegrenzte. Nun erhält die Leiterin der Franziskusstube für ihr Lebenswerk den mit 50.000 Euro dotierten Julius-Itzel-Preis verliehen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Wären da nicht das große Kreuz an der Wand und die Muttergottes mit dem Jesuskind über der Theke, man könnte die Gaststube für ein einfaches, aber gemütliches Lokal in Stuttgart-Mitte halten. Schwester Margret kommt aus der Küche, mit zwei Helfern ist die Ordensfrau an den Vorbereitungen für den nächsten Tag. Erst vor wenigen Minuten haben die letzten von mehr als 50 Hilfsbedürftigen die Franziskusstube verlassen. Jeden Morgen können hier zwischen halb acht und halb zehn Obdachlose, Gestrandete und Ausgegrenzte beim Frühstück ein bisschen Normalität und im besten Fall für kurze Zeit ein Stück Heimat erleben.

 

„Normalität ist für mich gleich Heil“, sagt die Franziskanerin, während aus den Lautsprechern ein Klavierkonzert von Mozart erklingt. Wer ein wohlsituiertes Leben führt, dem mag sich der Sinn dieses Satzes nicht unmittelbar erschließen. Doch für die Menschen, die in der Franziskusstube Zuflucht finden, ist Normalität mehr Wunsch als Alltag. Dass an diesem Morgen so viele  Frühstücksgäste da waren, hat Schwester Margret erstaunt. So viele sind es um diese Jahreszeit sonst nicht, auch wenn die Zahlen insgesamt zunehmen. Die größte Gruppe waren wieder Menschen aus Osteuropa, zurzeit sind darunter viele Polen, auch eine slowakische Roma-Gruppe war wieder dabei.

Im Jahr 1987 fing alles an

Seit bald drei Jahrzehnten ist die heute 69-Jährige schon im Dienst für Bedürftige in Stuttgart. Angefangen hat die gebürtige Riedlingerin 1987 in der Caritas-Tagesstätte an der Olgastraße. 1993 hat sie dann die Franziskusstube eröffnet, zuerst noch an der Hauptstätter Straße, bevor man dann an die Paulinenbrücke zog.

Die Arbeit der gelernten Familienpflegerin, die seit ihrem 30. Lebensjahr den Franziskanerinnen von Sießen angehört, wurde stets von aktuellen Entwicklungen geprägt. In den ersten Jahren war es die wachsende Zahl von Drogenabhängigen, die in die Einrichtung kamen und für deren Behandlung mit dem Ersatzstoff Methadon sich Schwester Margret starkmachte. Später waren es Prostituierte aus Osteuropa, mit deren Not sie konfrontiert wurde, weshalb sie auch zu den Mitbegründern des Frauencafés La Strada im Rotlichtviertel gehörte. Als der Jugendalkoholismus zum Problemthema wurde, ging die rührige Franziskanerin als Streetworkerin auf Tour in der Stadt. Seit bald zwei Jahrzehnten organisiert Schwester Margret, unterstützt von vielen Ehrenamtlichen, Hilfstransporte – mal nach Estland, nach Litauen oder auch in die Ukraine.

Unterstützung für Roma in der Südslowakei

Eines ihrer wichtigsten Hilfsprojekte ist seit einigen Jahren die Unterstützung des kleinen Orts Hodejov in der Südslowakei, wo zwei Drittel der rund 1500 Einwohner zur Gruppe der Roma gehören. „Das wird mich noch einige Zeit beschäftigten“, schätzt die Ordensfrau. Aktiv geworden ist sie, weil viele slowakische Roma in der Franziskusstube aufgetaucht sind, die meisten eben aus Hodejov. Irgendwann brach sie dorthin auf und machte sich selbst ein Bild von den ärmlichen Verhältnissen. „Man muss das Dorf sanieren“, sagt Schwester Margret. „Sonst haben die Kinder keine Chance.“ Dann wird die nächste Generation aus dem Ort hierherkommen und ihr Glück mit Betteln versuchen. Den Bau eines Spielplatzes haben sie und ihre Unterstützer schon finanziert, nun wollen sie die Schule im Ort unterstützen. Man kann sich denken, dass Schwester Margret auch schon Ideen hat, wofür sie die 50 000 Euro verwenden wird, die sie mit der Verleihung des Julius-Itzel-Preis für ihr langjähriges Engagement nun bekommt.