Seit Monaten suchen die Spitzen der deutschen Autobranche nach einem neuen Präsidenten oder einer Präsidentin für ihren Lobbyverband VDA. Nun sollen sie fündig geworden sein.

Berlin - Die frühere CDU-Politikerin Hildegard Müller wird aller Voraussicht nach neue Chefin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Zwar steht ein offizieller Beschluss noch aus, es laufe aber auf Müller hinaus, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch aus Industriekreisen. Die wichtigsten Vertreter der Autobranche hätten sich nach monatelanger Suche einmütig für die ehemalige Staatsministerin im Bundeskanzleramt ausgesprochen, es müssten aber noch Details geklärt werden, hieß es.

 

Die 52 Jahre alte Müller war bis Oktober Netzchefin des Energiekonzerns Innogy. Von 1998 bis 2002 führte sie die Junge Union. 2005 wurde sie Staatsministerin im Bundeskanzleramt und als solche zuständig unter anderem für die Bund-Länder-Beziehungen. Sie war am Mittwoch zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

Die Branche wolle in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskussion auch ein Zeichen setzen, hieß es weiter aus Industriekreisen. Dabei war den Entscheidern aus den Autokonzernen demnach auch wichtig, dass eine Frau den Posten bekommt, diese nicht allzu alt ist und sich zudem im Verbandswesen auskennt.

Zuletzt war auch über den scheidenden EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) als Kandidat für den VDA-Chefposten spekuliert worden. Zwischendurch hatte der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) als heißester Anwärter gegolten, der hatte aber vor gut drei Wochen schon abgewinkt und erklärt, er stehe nicht zur Verfügung.

Nicht die erste Frau an der Spitze

Die erste Frau an der VDA-Spitze wäre Müller allerdings nicht. Von 1989 bis 1996 hatte Erika Emmerich den Verband als Präsidentin geführt. Seither standen aber nur noch Männer an der Spitze.Wann das VDA-Präsidium die endgültige Entscheidung für Müller treffen wird, war am Mittwoch noch unklar. Der Posten des Spitzenlobbyisten der Autoindustrie muss neu besetzt werden, nachdem der frühere Ford-Manager Bernhard Mattes im September überraschend seinen Rückzug angekündigt hatte. Mattes ist erst seit März 2018 VDA-Präsident, seine Amtszeit lief eigentlich bis Ende 2020.

Mit dem Spitzenposten beim Lobbyverband des wichtigsten deutschen Industriezweigs muss Müller unter Beweis stellen, dass sie Streit schlichten und gemeinsame Linien herstellen kann. Im VDA verlaufen einerseits Gräben zwischen den großen Autoherstellern und den vielen, teils kleinen, Zulieferern.

Andererseits gibt es des Öfteren Streit um die Zukunftsausrichtung. Im Frühjahr brodelte es heftig zwischen dem Volkswagen-Konzern und den großen Autobauern Daimler und BMW aus dem Süden. VW-Chef Herbert Diess wollte den Verband wie den Wolfsburger Konzern stärker auf die Förderung reiner Elektroantriebe ausrichten. Daimler und BMW reagierten verschnupft, weil sie mit ihren oft schweren Autos auch stärker auf gemischte Plug-in-Hybride setzen. Dabei machte Müllers Vorgänger nicht für alle eine gute Figur, wie hinter den Kulissen zu hören war.

Dieselskandale und Klimadebatte

Auch die vom Verband ausgerichtete Leistungsschau, die Internationale Automobil-Ausstellung, stand zuletzt unter keinem guten Stern. Wegen Besucherschwunds und Zweifeln am Konzept hat der Verband eine neue Ausrichtung angestoßen. Wo die nächste IAA Pkw 2021 stattfindet, ist ebenso noch offen.

Der VDA ist einer der einflussreichsten Lobbyverbände in Deutschland, die Autobranche mit mehr als 800 000 direkt Beschäftigten eine Schlüsselindustrie. Die Autoindustrie steht seit Jahren wegen des Dieselskandals schwer unter Druck. Ein weiteres großes Thema ist die Klimadebatte und der angepeilte Umbau des Autoverkehrs in Richtung E-Mobilität.