Die Zusammensetzung der Polizei sollte stärker die Bevölkerung abbilden, sagt die neue Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz. Deshalb will sie mehr Frauen und Migranten für den Polizeidienst gewinnen.

Stuttgart - Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat Stefanie Hinz zum 1. Januar zur ersten Landespolizeipräsidentin in Baden-Württemberg ernannt. Die Erwartungen auf beiden Seiten sind groß.

 

Frau Hinz, was reizt Sie als Juristin, die Leitung der Polizei in Baden-Württemberg zu übernehmen?

Hinz Polizeiarbeit ist kein Job wie jeder andere, die meisten entscheiden sich dafür aus einer inneren Berufung heraus. Ich will die Kolleginnen und Kollegen unterstützen, die Tag für Tag unsere Sicherheit gewährleisten. Zu den großen Aufgaben in den nächsten Jahren gehört, neues Personal zu gewinnen, und es reizt mich, die richtigen Köpfe zu finden. Durch meine frühere Arbeit in der Zentralstelle des Innenministeriums und beim Städtetag sind mir Polizei und Sicherheit nicht fremd.

Herr Strobl, was hat Sie bewogen, eine Nichtpolizistin zur Chefin von rund 24 000 Polizisten zu machen?

Strobl Meine Entscheidung beruht auf gründlicher Überlegung und ganzer Überzeugung: Frau Hinz ist die Richtige, um unsere Polizei, etwa unter dem Stichwort Führungskultur, weiterzuentwickeln. Sie hat eine außergewöhnliche Auffassungsgabe und strategischen Weitblick, verfügt über eine persönlich-menschliche und kollegiale Ader – und ist in der Landesverwaltung respektiert.

Bei der Polizei sind Frauen klar in der Minderheit, vor allem in Führungsgremien . . .

Strobl Es stimmt einfach, solange Frauen nicht in gleichem Maße wie Männer in Führungspositionen kommen, verschenken wir Kreativität, Potenzial und Kompetenz. Im Innenministerium hat der Anteil der Frauen in Führungspositionen nun erfreulich zugenommen. Das Polizeipräsidium Karlsruhe wird von einer Präsidentin geleitet, ebenso bereits das Landesamt für Verfassungsschutz, an der Polizeihochschule gibt es eine Prorektorin. Wir haben seit Kurzem auch eine neue Regierungspräsidentin in Karlsruhe, die anerkanntermaßen einen tollen Job macht, und ab Mai eine Leiterin der Gemeindeprüfanstalt. Freilich gibt es immer noch Luft nach oben, doch wichtig ist mir: Wir reden nicht – wir handeln. Es tut sich etwas!

In den nächsten zwei Jahren sind 3000 Ausbildungsplätze für Polizisten zu besetzen. Wie wollen Sie denn die besten Köpfe gewinnen?

Hinz Das Ministerium ist da bereits aktiv, auch über die sozialen Medien. Wir sollten noch intensiver überlegen, wie wir schon bei Schülern Interesse an den Aufgaben der Polizei wecken können – und auch Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt ansprechen. Ich halte es für wichtig, dass sich die Bevölkerung auch in der Polizei abbildet.

Was erwarten Sie von der Polizeipräsidentin?

Strobl Baden-Württemberg ist ein sehr sicheres Land, wir haben beispielsweise die Zahl der Wohnungseinbrüche in den vergangenen Jahren halbiert, die Aufklärungsrate von Straftaten ist so gut wie nie. Freilich gibt es Themen, die man im Auge behalten muss: islamistischer Terror, Rechtsextremismus, sexuelle Straftaten, Cybercrime, um nur einige und lange nicht alle zu nennen.

Ist die Polizei dafür denn gut gerüstet?

Strobl Cybercrime, Spionage und Sabotage über das Internet gehören zu den am meisten unterschätzten Herausforderungen. Wir dürfen Parallelwelten im Netz nicht zulassen. Ich habe daher etwa neulich entschieden, dass das Landeskriminalamt 6,5 Millionen Euro erhält, um Künstliche Intelligenz für die kriminalistische Arbeit einzusetzen. Je mehr wir digitalisieren, umso angreifbarer werden wir freilich. Das ist eine gigantische Herausforderung für unsere Sicherheits-behörden.

Geheime Online-Durchsuchungen, wie vom Innenminister gefordert, wird es mit den Grünen nicht geben. Erschwert das Ihre Arbeit, Frau Hinz?

Hinz Auf der jetzigen Grundlage können wir erst einmal arbeiten. Wenn das nicht reichen sollte und wir das nachweisen können, müssen wir darüber diskutieren. Das ist dann eine Aufgabe auch der politischen Ebene. Datenschutz und Persönlichkeitsrechte sind jedenfalls auch ein hohes Gut, das muss bei der Abwägung berücksichtigt werden. Allerdings gilt es auch sehr darauf zu achten, dass die Polizei in diesem Land angesichts der rasanten Entwicklung auf der anderen Seite weiter die richtigen Mittel und Wege hat, Verbrechen effektiv zu verhindern und Verbrechen effektiv aufzuklären. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns.

Immer wieder werden Fälle bekannt, bei denen Polizisten schlampig ermittelt haben – siehe NSU – oder Informationen weitergegeben haben, die Kollegen oder Außenstehende gefährden. Wie wollen Sie solche Sicherheitslücken schließen?

Hinz Wir benötigen eine klare Führungskultur. Wenn gegen Gesetze verstoßen wird, dürfen Kollegen und Vorgesetzte das nicht aus falsch verstandener Loyalität verschweigen oder Dinge unter den Teppich kehren. Verstöße dürfen nicht toleriert werden, das muss allen klar sein. Das beschädigt die Polizei und führt dazu, dass das Vertrauen in sie schwindet. Allerdings möchte ich bei aller Klarheit in diesem Punkt darauf hinweisen, dass die allermeisten Polizistinnen und Polizisten in diesem Land einen sehr guten Job machen und sehr gewissenhaft ermitteln.

Wie verhindern Sie, dass radikale Kräfte überhaupt in den Polizeidienst kommen?

Hinz Darauf müssen wir bereits bei den Einstellungstests achten. Während der Ausbildung spielen Recht und Staatsbürgerkunde eine große Rolle. Wichtig ist, dass wir bei Problemen frühzeitig einschreiten. Dafür brauchen wir ein gutes Frühwarnsystem, das sicherstellt, dass Probleme gemeldet werden, aber auch verhindert, dass Kollegen etwa aus persönlichen Motiven andere anschwärzen.

Strobl Wer Polizist werden will, muss fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und sich jederzeit aktiv für unseren Verfassungs- und Rechtsstaat einsetzen. Wer das nicht gewährleistet, kann bei uns kein Polizist sein. Da gibt es kein Vertun.

Die Aggressivität nimmt zu, auch gegen Polizisten und Rettungssanitäter. Was wollen Sie dagegen tun?

Hinz Um den Respekt für diese Aufgaben wiederzugewinnen, sollten wir noch mehr in den Vordergrund stellen, was Polizisten alles leisten. Die Beamten sichern mit ihrem Einsatz bei Demonstrationen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, sie sorgen dafür, dass wir beispielsweise den Weihnachtsmarkt oder das Silvesterfeuerwerk genießen können. Und das sind nur ganz wenige Aspekte einer immer wichtiger werdenden Tätigkeit, die für diese Gesellschaft von sehr hohem Wert ist.

Strobl Jeder Angriff gegen die Polizei ist ein Angriff gegen uns alle. Solche Verrohungstendenzen – auch in der Sprache – dürfen wir nicht akzeptieren. Es war richtig, die Strafen zu verschärfen. Ich verspreche mir auch einiges von der Bodycam, über die unsere Streifenpolizisten nun alle verfügen. Wir beobachten, dass sie eine deeskalierende Wirkung hat und Gewalt verhindert – das ist unser Weg.